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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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sich eine derartige Karriere wiederholen könnte, sicher nicht in gleicher, aber doch in ähnlicher Weise.
    Eine ausnahmehafte Besonderheit bei Strauß war, dass er von Anbeginn der Bundesrepublik aktiv Politik betrieb und das über 40 Jahre hinweg, sodass die Bevölkerung geradezu die Zwangsvorstellung hatte, er gehöre in diese Machtposition, was immer er sich an Skandalen leistete. Doch auch unter anderen Voraussetzungen können entschlossene Politiker eine vergleichbare Machtstellung erringen. Man denke an Edmund Stoiber. Gestützt auf einen straff durchorganisierten Parteiapparat und auf absolute Gefolgschaft geeichte Parteigänger herrschte er mit schneidender Rigorosität so uneingeschränkt, dass der ihm nachfolgende CSU -Vorsitzende Erwin Huber später öffentlich bekannte, Stoiber habe am Schluss sogar mehr Macht gehabt als Strauß. Aufgrund seiner Erfolge habe die CSU -Spitze ihm diese Macht auch zugestanden. Und hatten sich die Abgeordneten früher ängstlich vor Strauß geduckt, so trieb sie, wie der CSU -Landtagsabgeordnete Gabsteiger im Nachhinein gegenüber der Presse bekannte, unter Stoiber »die nackte Angst« – mit dem Resultat, dass sie alles abgenickt hätten. Stoiber wäre sogar fast Bundeskanzler geworden. Die von ihm persönlich mit zu verantwortende Zehn-Milliarden-Euro-Pleite der Bayerischen Landesbank, die 3 , 8 -Milliarden-Euro-Verluste in der Hypo-Alpe-Adria-Affäre und der skandalöse, bereits nach einem Jahr ausgefallene Zwei-Milliarden-Mark-Kredit an Leo Kirch waren keine unglücklichen Zufälle. Es waren die Ergebnisse seiner keinen Widerspruch duldenden Herrschaft. Dennoch machte die CSU -Spitze Stoiber nach seinem Abgang sogar noch zum Ehrenvorsitzenden der CSU .
    Die Karriere des Roland Koch in Hessen ist ein weiteres Beispiel für hemmungslose Herrschaftspraktiken. Koch kam nach oben, weil ihn die Banken und andere potente Interessenten dort haben wollten. Skandale und Lügen gab es zuhauf, aber er konnte selbstsicher auftreten und den überlegenen Chef geben, der in der großen Politik zu Hause ist. So vermochte er einen Großteil der Bevölkerung über Jahre hinweg zu täuschen. Die Auflösung, besser Vernichtung des 35 -köpfigen Steuerfahndungsteams in Frankfurt, das riesige Steuerhinterziehungen und Schwarzgeldverschiebungen bei den Großbanken aufgedeckt und dadurch Steuermehreinnahmen von einer Milliarde Mark hereingeholt hatte, wäre eines F. J. Strauß würdig gewesen (s. »Die unheilbare Paranoia der hessischen Steuerfahnder«, S. 282 ff.). Dieser hatte ebenfalls die Steuerfahndung ohne alle Skrupel blockiert. Eiskalt berechnendes, brutales Vorgehen war das Charakteristikum Roland Kochs. Und doch wurde er sogar als möglicher Kanzlerkandidat genannt.
    Ein eindrucksvolles Lehrstück, wie sich die Bevölkerung blenden lässt, war der fulminante Aufstieg des Karl-Theodor zu Guttenberg. Smart im Auftreten, das gepaart war mit ungewöhnlicher Eloquenz und jugendlichem Schwung sowie dem Glamour einer bildschönen Frau, viel Geld und eleganter Kleidung, wirkte er wie ein J. F. Kennedy. Mit nur 37 Jahren von CSU -Chef Horst Seehofer als Nachfolger von Michael Glos auf den Sessel des Bundeswirtschaftsministers gehievt, erschien er den Bürgern als außerordentliche Begabung. Sie sagten sich: Dieser Mann hat Charisma! Er ist zu den höchsten Ämtern befähigt, ihm gehört die Zukunft – so die nahezu allgemeine Überzeugung. Zwar hatte Guttenberg bis dahin noch nie etwas mit Wirtschaft zu tun gehabt, überspielte das aber dadurch, dass er munter in Interviews zur katastrophalen Bankenkrise und zu ihren wirtschaftlichen Folgen drauflosplapperte, meist so schnell, dass man kaum folgen konnte. Neben dem sehr sachkundigen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück konnte er nicht punkten, aber das ließ sich mit seiner kurzen Amtszeit von etwa einem halben Jahr bis zur Bundestagswahl erklären. Es war nicht auszuschließen, dass er fähig war, wenngleich noch keine Verdienste zu erkennen waren, welche die überschwänglichen Lobpreisungen vieler gerechtfertigt hätten.
    Genauso sah das auch ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung, mit dem ich mich über dieses Phänomen unterhielt. Eine frühere CSU -Bundestagsabgeordnete, die der gleichen Meinung war, erzählte mir, dass man sich früher nach den Reden Guttenbergs in der CSU -Landesgruppe immer gefragt habe: »Was hat er jetzt eigentlich gesagt?« Nach seinem Sturz berichtete der Spiegel über eine Anekdote, die Michael Glos, der

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