Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
Diskussion stehenden Steuermillionen und der massiven Zweifel am gesetzmäßigen Verhalten der Staatsregierung bestand ein zwingendes öffentliches Interesse an Aufklärung, sodass gemäß Paragraf 30 der Abgabenordnung das Steuergeheimnis nicht griff. Zum Vergleich: Das Topmodel Nadja Auermann wurde 2011 in Berlin wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 272 000 Euro vor Gericht gestellt. Sie hatte wahrheitswidrig bis 2002 als Hauptwohnsitz Monaco angegeben, lebte aber bereits seit 1999 in Berlin. Die Polizei hatte aus Handwerkerrechnungen und Tankquittungen ein »Bewegungsprofil« erstellt. So etwas war bayerischen Finanzministern nicht möglich: Die beiden Milliardäre waren für sie anscheinend unsichtbar, was allerdings die Ordensverleihungen, in deren Genuss Diehl und Beisheim kamen, unverständlich macht.
Die Verschonung Karl Diehls steht in überaus harmonischem Einklang damit, dass die Betriebsprüferin Ingrid Meier unter Finanzminister Kurt Faltlhauser 1999 »von oben« ohne Begründung daran gehindert wurde, 60 Millionen Mark an Steuern von den Diehl-Gesellschaftern zu erheben. Als sie gegen diese Rechtswidrigkeit gemäß ihrer Remonstrationspflicht protestierte, wurde ihr der Fall entzogen und sie selbst beruflich schwer diskriminiert. Josef Bugiel, der Vorsitzende des Hauptpersonalrats im bayerischen Finanzministerium, sprach von »nicht nachvollziehbaren und sehr personenbezogenen Entscheidungen« und kritisierte den damaligen Präsidenten der Oberfinanzdirektion Nürnberg. Das Bundesamt für Finanzen, insbesondere dessen Vizepräsident, hatte die Betriebsprüferin in ihrer Auffassung nachdrücklich unterstützt. Allerdings stimmte später dessen Nachfolgerin erstaunlicherweise, und zwar ohne konkrete Begründung, der Nichterhebung der Steuer zu. Sie war früher die persönliche Referentin Faltlhausers gewesen, als dieser Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war.
Während die Betriebsprüferin weiter um die Erhebung der Steuer kämpfte, verlieh Ministerpräsident Stoiber 2003 Werner Diehl sogar noch das Bundesverdienstkreuz. Die Diehl-Stiftung ihrerseits, regelmäßig Gastgeberin des ältesten Parlamentarischen Abends der Bayerischen Landesvertretung in Berlin, war angeblich 2003 Sponsor für einen Empfang Stoibers in Berlin mit mehr als 1000 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Diplomatie. Als sich die Betriebsprüferin 2008 hoffnungsvoll an den neuen Ministerpräsidenten Beckstein wandte und ihn auf die bevorstehende Verjährung der Steuerforderung hinwies, stand sie weiterhin auf verlorenem Posten. Beckstein sorgte nicht für die Einziehung der Steuerschuld, sondern verlieh Werner Diehl stattdessen auch noch den Bayerischen Verdienst-orden. Irritierend ist nur, dass einem CSU -Politiker zufolge Beckstein früher geäußert haben soll, die Firma Diehl sei eine seiner Hauptquellen für Spenden an die CSU .
Weiter verstört die Behandlung der Strafanzeigen, welche die Betriebsprüferin gegen Karl Diehl und gegen Verantwortliche der Finanzverwaltung gestellt hat. Obwohl ein von der Staatsanwaltschaft eingeholtes Gutachten den Verdacht der Steuerhinterziehung und der Untreue bejahte, wurden die Ermittlungsverfahren eingestellt. Als die Landtagsabgeordnete Christine Stahl vom Bündnis 90 /Die Grünen Justizministerin Beate Merk damit konfrontierte und sie aufforderte, die Betriebsprüferin zu rehabilitieren, erklärte Merk, dazu bestehe kein Grund. Die Ermittlungen hätten keinen hinreichenden Tatverdacht ergeben, eine »unbotmäßige Einflussnahme« von oben sei nicht erfolgt. Es drängt sich eine Parallele zum bekannten Fall des Gustl Mollath und seinen Strafanzeigen gegen die HypoVereinsbank sowie zum gleichartigen Verhalten der Justizministerin auf (s. »Die paranoide Wahnsymptomatik des Ingenieurs Gustl Mollath«, S. 318).
Ursache Nr. 2: Politische Protektion durch Unterbesetzung der Finanzämter
Der Bayerische Oberste Rechnungshof legte im März 2012 seinen Jahresbericht für das Jahr 2010 vor. Der Bericht war aufschlussreich. Trotz großteils sinnwidriger Sparmaßnahmen diagnostizierte er im bayerischen Staatshaushalt ein beträchtliches Defizit. Im Jahr 2010 betrug es 1 , 2 Milliarden Euro. Das war keine Überraschung, es konnte gar nicht anders sein. Denn die bayerische Steuerverwaltung ist personalmäßig seit Jahren von der politischen Spitze so sehr ausgezehrt worden, dass sie heute unter allen Bundesländern den letzten Platz einnimmt. Wie der Rechnungshof rügte, hat Bayern die
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