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Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)

Titel: Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schlötterer
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und Justiz mit Huchel eilig einen Deal. Er sollte seine Entlassung beantragen und eine Geldstrafe zahlen. Weitere Ermittlungen würde es dann nicht geben. Die schnelle Einigung wurde jedoch von engagierten Beamten des Landeskriminalamts durchkreuzt. Sie hatten festgestellt, dass der Staatsanwalt auch von dem Augsburger Multimillionär und Labormagnaten Dr. Bernd Schottdorf, der das größte Untersuchungslabor in ganz Europa betreibt – es arbeitet für über 10 000 Ärzte –, mit einem Darlehen in Höhe von 165 000 Euro begünstigt worden war. Warum, wurde schnell klar. Huchel hatte in der Vergangenheit jedes Strafverfahren gegen Schottdorf eingestellt. Mindestens eine dieser Einstellungsverfügungen durfte dieser sogar selbst vorformulieren – auf staatsanwaltschaftlichem Papier. Huchel musste nur noch unterschreiben. Diese polizeilichen Feststellungen nötigten die Staatsanwaltschaft, den Verdachtsmomenten der Bestechung und Rechtsbeugung nachzugehen. Beim Landeskriminalamt wurde zur Beweisführung eine 18 -köpfige Sonderkommission »Laboruntersuchungen« eingesetzt. Statt einer Geldstrafe erhielt Huchel dann eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Applaus von oben ernteten die Polizisten dafür keineswegs. Vielmehr bezeichnete man die erfolgte Nötigung der Staatsanwaltschaft als »Sakrileg«.
    Die weitere Folge war, dass die von Huchel eingestellten Verfahren gegen Schottdorf wieder aufgenommen werden mussten. Dem Laborunternehmer wurde vorgeworfen, die Falschabrechnung eines Arztes ermöglicht und gefördert zu haben. Indessen ergaben die Ermittlungen des Landeskriminalamts rasch, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelte. Ein System wurde offenbar, an dem hochgerechnet ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte Deutschlands verdient: Die Ärzte überweisen Patientenproben zur laborärztlichen Untersuchung und erhalten mengenabhängige Kickbackzahlungen in Millionenhöhe. An nur einer Blutprobe lassen sich auf diese Weise problemlos 800 Euro mitverdienen. Dazu muss der Arzt nicht einmal das Blut selbst abnehmen. Entscheidend ist allein, dass für diese Blutprobe möglichst viele (oft überflüssige) Untersuchungsaufträge an das Labor gerichtet werden. Deutschland ist wohl deshalb nicht zufällig weltweit Spitzenreiter in der Anzahl der Laboruntersuchungen. Diese kosten die Krankenkassen jährlich Multi-Milliarden an Euro, die von den Beitragszahlern aufzubringen sind!
    Die Schädlichkeit dieses Systems fürs Gemeinwohl war offenkundig; der Handlungsauftrag an die Justiz ebenso. Nicht so für die Justiz in Bayern. Das Justizministerium äußerte plötzlich Zweifel an der Strafbarkeit der Falschabrechnung der Ärzte. Über die Generalstaatsanwaltschaft wurde dem zuständigen Münchner Korruptionsstaatsanwalt nach über zweijähriger Ermittlungsarbeit »plötzlich« wegen angeblicher Unzuständigkeit das Verfahren entzogen und der Staatsanwaltschaft Augsburg übertragen. Dort wurde das Ermittlungsverfahren gegen Schottdorf und Tausende Ärzte umgehend ohne weitere Ermittlungen eingestellt. Sämtliche Beweismittel wurden Dr. Schottdorf von der Staatsanwaltschaft Augsburg zurückgegeben. Ein wahrhaft bemerkenswerter Vorgang innerhalb der bayerischen Justiz! In München wurde nämlich zeitgleich ein Arzt mit gleicher Abrechnungssystematik angeklagt und vom Landgericht München zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Verurteilung im Januar 2012 – das Justizministerium war damit bloßgestellt.
    Die Ärzte, deren Verfahren von der 80 Kilometer entfernten Staatsanwaltschaft Augsburg eingestellt worden waren, konnten jedoch nicht mehr belangt werden. Die gegen sie gerichteten Vorwürfe waren zum Zeitpunkt der BGH -Entscheidung sämtlich verjährt. Allerdings hätte jeweils ein Brief mit dem Tatvorwurf an jeden dieser Ärzte genügt, die Verjährung der Verfahren zu unterbrechen. Die »Problematik« war der Justiz bekannt. Die Polizeibeamten hatten entsprechende Anschreiben vorbereitet. Sie durften diese aber nie absenden. Selbst die Information der ärztlichen Berufsaufsichtsbehörden wurde ihnen intern untersagt. Offenbar sollte das rechtswidrige lukrative Geschäftsmodell des Labormagnaten unangetastet bleiben. Wer in der Staatsregierung war daran interessiert?
    Doch damit nicht genug. Die Kriminalbeamten stellten im Jahr 2007 fest, dass wohl der gesamte Schottdorf-Konzern durch Anstellung scheinselbstständiger Laborärzte rechtswidrig

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