Wahn und Willkür: Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt (German Edition)
strukturiert war. Schottdorf hätte demnach das Krankenkassensystem um möglicherweise mehrere hundert Millionen Euro geschädigt. Diese Feststellungen waren besonders brisant, weil der leicht abgewandelte Vorwurf der Anstellung von Strohpartnern schon im Jahr 2000 in einem Prozess vor dem Landgericht Augsburg verhandelt wurde. Dr. Schottdorf obsiegte damals mit einem Freispruch und erhielt vom Freistaat Bayern Hunderttausende Euro an Strafentschädigung. Laut Beurteilung der Sonderkommission für Laboruntersuchungen erfolgte der Freispruch zu Unrecht, die Augsburger Richter hatten die verdeckten Angestelltenverhältnisse und deren Auswirkung auf das Sozialrecht ungenügend berücksichtigt. Eine Revision der Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof hätte den Fehler korrigieren können. Revision hatte die Staatsanwaltschaft zunächst auch eingelegt, doch dann wurde der besagte Staatsanwalt Huchel mit dem Verfahren betraut. Er zog den Revisionsantrag zurück und schickte später eine private E-Mail mit einem Rechtsaufsatz an Dr. Schottdorf. In diesem Aufsatz wurde auf die Strafbarkeit hingewiesen.
Nach der Revisionsrücknahme wäre ein erneutes Gerichtsverfahren für die Augsburger Justiz einigermaßen blamabel gewesen. Auch deshalb, weil Huchel wohl die Entscheidung zur Rücknahme der Revision mit »Deckung von ganz oben« traf. Also stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg den Verfahrensteil im Jahr 2011 ein. Zur Begründung diente der Justizirrtum selbst: Dr. Schottdorf habe mit Verweis auf den Freispruch beim Landgericht Augsburg nicht wissen können, dass er scheinselbstständige Ärzte beschäftigte. Damit biss sich die Katze in den eigenen Schwanz. Selbst die Tatsache, dass unmittelbar nach den Strafanzeigen der Sonderkommission »Laboruntersuchungen« plötzlich alle Laborärzte im Angestelltenverhältnis beschäftigt wurden, vermochte die Staatsanwaltschaft Augsburg nicht zu »überzeugen«.
Die Polizeiführung unterstützte die Beamten nicht. Im Gegenteil, sie entzog den unbequemen Ermittlern den Fall. Mit schlechten Beurteilungen und der Einleitung von Disziplinarverfahren wurden den vormals bestbeurteilten Beamten alle Berufschancen genommen. Warum? Die Kriminalbeamten ermittelten pflichtgemäß und stellten unangenehme Fragen. Immer wieder aber wurde ihnen von der Polizeiführung nahegelegt, die Kreise der Justiz nicht zu stören. Doch davon ließen sich die Ermittler nicht beirren. Für sie war längst klar, dass die Justizpannen der Vergangenheit kein Zufall waren. Im Geflecht von Politik, Staatsanwaltschaft und Dr. Schottdorf stellten sie zahlreiche Verbindungen fest.
Offenbar zählten aber nicht nur Beamte der Justiz zur Zielgruppe von Schottdorf. Er pflegte auch beste Verbindungen zur CSU . Die Ermittler stießen auf persönliche Kontakte zu weiteren CSU -Mandatsträgern. Seine rechtlichen Interessen vertraten in der Vergangenheit – wie es auch heute noch der Fall ist – CSU -Spitzenpolitiker.
Jedenfalls blieb ein Hilferuf der Beamten an Ministerpräsident Horst Seehofer im Jahr 2010 ungehört. Auch die Thematisierung der Causa Schottdorf im Bayerischen Landtag im Jahr 2011 änderte daran nichts. Dort verteidigte die Staatsregierung die Entscheidungen der Justizverwaltung, die komplette Wahrheit verschwieg sie jedoch. Auf eine Frage zum Umfang des ärztlichen Betrugsnetzwerks nannte Justizministerin Dr. Beate Merk zunächst eine Zahl von 100 Fällen. Auf weitere Nachfrage berief sie sich gegenüber dem Parlament auf Unwissenheit. In dem 2012 veröffentlichen Beschluss des Bundesgerichtshofs hingegen ist von mehreren tausend Ärzten die Rede.
Widerstand und Sanktionen
Die von den Schottdorf-Ermittlungen entbundenen Kriminalbeamten gaben sich indessen nicht geschlagen. Sie erhoben Vorwürfe wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung gegen Justiz und Polizeiangehörige. Obwohl die Vorwürfe sehr konkret waren, verweigerte die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
Am 12 . Januar 2010 fand vor dem Landgericht München I die Hauptverhandlung gegen den oben erwähnten Arzt statt, der angeklagt war, Privatkassen mit falschen Laborrechnungen um 1 , 1 Millionen Euro betrogen zu haben. Der Prozess geriet zu einem Rieseneklat.
Der Leiter der Sonderkommission für Abrechnungsbetrug, Kriminalhauptkommissar Stephan Sattler, sagte im Prozess aus, im Jahr 2006 habe eine polizeiliche Durchsuchung des Großlabors Schottdorf in Augsburg stattgefunden. Dabei sei man auf Unterlagen über
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