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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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auf Baumwollfeldern. Später war er Tagelöhner in einem Stahlwerk. Sein erster Versuch, zur Schule zu gehen, scheiterte an seinem Bruder – und an der Armut der Familie. »Meine Mutter sagte damals, wir können es nur so machen: Ihr geht abwechselnd zur Schule. An einem Tag der eine, am anderen Tag der andere. An seinen Tagen ging also mein Bruder zur Schule. Aber an meinen stahl er sich frühmorgens ebenfalls davon. Bis meine Mutter zu mir sagte, Junge, wenn du ihn immer einholen und zurückschicken willst, verlieren wir jedes Mal einen halben Arbeitstag. Dann bleibst du eben hier.«
    Auch er sei heute gebildet, sagt Alferd selbstbewusst. Sein Maß an Lebenserfahrung habe er den Mitschülern voraus. »Die müssen sich das alles noch aneignen. Ich hatte es schon erlebt, bevor ich lesen lernte.«
    Die Lehrerin, gerade mal halb so alt wie Alferd, war anfangs skeptisch, ob er in der Klasse stören könnte. »Andererseits dachte ich, wenn doch nur andere auch die Gelegenheit suchen würden«, sagt sie. »Mich beeindruckt sehr, welchen Lerneifer er an den Tag legt. Und die Kinder motiviert es auch.«
    Sie habe immer in Vierteln unterrichtet, wo die Einkommen so niedrig waren, dass das Schulessen mehr als willkommen war. Dass es da Analphabeten gab, habe sie gewusst. Aber nicht, dass es so viele seien.
    Tatsächlich kann Statistiken zufolge jeder zehnte erwachsene US-Bürger nicht lesen. Als wir nach Schulschluss auf die Politik zu sprechen kommen, frage ich Miss Hamilton und Alferd augenzwinkernd, welche Note sie dem Präsidenten für seine ersten Amtsjahre wohl geben würden. »Wenn man bedenkt, in welcher Situation er angetreten ist, hat er seine Sache ordentlich gemacht«, findet die Lehrerin. »Deshalb würde ich ihm wohl eine zwei minus oder eine drei geben. Wäre mehr möglich gewesen? Schwer zu sagen. Ich diskutiere das oft mit meinem Mann. Reformen brauchen sicher Zeit.«
    Andererseits habe sie Angst. Sie habe Freunde, die gerade ihren Job verloren hätten, andere zudem ihr Haus. Es sei immer leicht, dafür die Regierung verantwortlich zu machen. »Ich weiß nur eines genau. Obamas Job würde ich nie und nimmer durchhalten.«
    Alferd legt sich auf keine Note fest. Nur darauf, dass er ihn wieder wählen werde. »Obama lernte arm zu sein, bevor er reich wurde«, hebt er mahnend den Finger. »Die Republikaner sind etwas für die Reichen. Wenn du nicht reich bist, wirst du bei denen nichts. Die Demokraten aber geben dir eine Chance.«
    »Aber ihre Gesundheitsreform ging doch vielen Wählern schon zu weit«, wende ich ein.
    »Vielleicht weil sie noch nie krank waren oder noch nie einen Arzt brauchten«, glaubt er. »Oder weil sie ohnehin genug Geld haben.« Er freue sich schon auf die Wahl, allein schon, weil er jetzt die Kandidatennamen alle lesen könne. »Wer nicht wählt«, sagt er und packt sein Bücherbündel ein, »darf sich auch nicht über die Politik beschweren.«
    Ein anderer Gott?
     
    Auch ein Abstecher in die Wüste Arizonas, an Amerikas Grenze zu Mexiko, führt uns in eine eigene Welt, weit weg von Washington. Gemeinsam mit einer Schar von Aktivisten aus seinem Kirchenkreis sorgt sich dort ein Pfarrer namens Robin Hoover um etwa 80 Trinkwasserstationen, die die Gruppe entlang der Grenzzäune errichtet hat. Denn zuletzt seien hier mehr Menschen verdurstet als je zuvor, sagen Hoovers Helfer. Fast jeden zweiten Tag ein Wüstentoter.
    Als wir im weichen Morgenlicht die bizarre Schönheit der Felsformationen und bald die baumhohen, mit Stacheln bewehrten Kakteen auf uns wirken lassen, vergessen wir fast, weshalb wir angereist sind. Doch als die Sonne höher steigt und der Wind uns Haut und Kehle trocknet, ahnen wir, wie mörderisch diese Traumlandschaft für jeden ist, der ihr nicht rechzeitig entkommt.
    »Der Wind hilft dir nicht in der Wüste, du denkst nur, dass er kühlt«, sagen unsere Begleiter, als wir zu Fuß in Richtung Grenzanlage unterwegs sind: eine lückenhafte Stahlträgerbarriere wie eine Endlos-Panzersperre, die Autos abhält, aber keine Menschen. An einem Holzmast markiert bald eine blaue Fahne die ersten Tonnen, die Wasser für Flüchtlinge bereithalten. Mit ihrer alten Schubkarre quälen sich die Männer durch den Sand, um Nachfüllflaschen auf die Anhöhe zu wuchten.
    »Die Grenzgänger kommen aus drei Richtungen hier vorbei«, weist Hoover zum Horizont, »manche über den hohen Berg dort hinten, andere von etwas weiter südöstlich, wieder andere mehr aus dem Südwesten. Würde man von

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