Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
Scharfmachern nun nur noch darum geht, Obama völlig lahmzulegen. Kurz: dass sie Blut gerochen haben.«
Ausgerechnet diejenige aber, die den Anti-Obama-Kampf wie keine andere initiiert und als »Queen der Tea Party« verkörpert hat, verabschiedet sich bald darauf aus der politischen Arena: Sarah Palin. Nach vielfachen Andeutungen, dass auch sie 2012 gegen Obama antreten wolle, nach Bustouren, Jubel-Buch und peinlich huldigendem Kinofilm sagt sie ihre Präsidentschaftskandidatur endgültig ab.
Viel spricht dafür, dass Palin nicht etwa die Konkurrenz ihrer zahlreichen Nachahmer fürchtet, sondern nur klüger und instinktsicherer ist als diese. Mithin, dass auch sie in Wirklichkeit stets wusste, wo ihre Grenzen lagen. Tatsächlich kommt sie in nationalen Umfragen nie über eine Außenseiterposition hinaus. Selbst an seinen Tiefpunkten liegt der Amtsinhaber immer noch mit weitem Abstand vor ihr. Auch dass ihr irrlichterndes Gefolge immer schneller an Substanzlosigkeit scheitert, sobald es mehr anbieten muss als Floskeln, dürfte ihr nicht entgangen sein. Als Kultfigur und Medienstar hätte sie diese zwar weiter überflügeln können. Dennoch kommt sie, als sie ihre Entscheidung nicht mehr länger hinauszögern kann, offenbar zu dem Schluss, dass am Ende wohl auch ihr Absturz unausweichlich wäre. Sie habe sich entschieden, Gott und ihrer Familie den Vorrang vor der Politik zu geben, erklärt sie den Amerikanern, die sie so lange und so unterhaltsam in ihrem Bann gehalten hat. Die Reihenfolge sei wörtlich zu verstehen, schiebt sie nach, zumal sie oft genug beteuert hat, vor jedem wesentlichen Schritt auf Gott zu hören.
Eine Kolumnistin der Washington Post sieht darin tags darauf, nicht ohne Häme, den Beweis, »dass es Gott wirklich gibt«.
6 Erkundungsreisen
»Angelhaken nicht verschlucken«
Auch nach der Midterm-Wahl lassen wir die Hauptstadt immer wieder gerne hinter uns. Sei es, um dem Nachrichtenfieber mit kleinen, aber mindestens ebenso erkenntnisreichen Geschichten aus den Winkeln der Weltmacht zu begegnen, oder weil sich »breaking news«, Eilmeldungen also, auch anderswo entwickeln. Dann brechen wir nicht nur mit dem Kamerateam auf, sondern mitsamt den Cutterinnen oder Cuttern, um die Beiträge gleich am Ort zu schneiden und sie von dort auf die Satellitenstrecke zu schicken.
Was die bunteren Themen betrifft, wird der Ruf der Heimatredaktionen regelmäßig lauter, sobald Weihnachten naht. Meist drehen sich solche Beiträge dann ums Wetter, die Feiertagseinkäufe oder die Arten, wie Menschen rund um den Globus Feste begehen.
Einmal entscheiden wir uns dabei für ein Kuriosum, das beim Shopping auch Amerikanern immer wieder auffällt, obwohl sie sich eigentlich längst daran gewöhnt haben. Außer Bob Dorigo Jones.
»Wacky Labels« nennt Bob, ein korrekter, humorvoller Mittvierziger aus Michigan, sein Lebensprojekt: verrückte Verbraucherhinweise. Alljährlich sammelt er Dutzende der irrwitzigsten Warensticker, auf denen US-Firmen aus Angst vor Schadensersatzklagen beispielsweise dazu raten, den neu gekauften Fön nicht im Schlaf zu benutzen. In einer Radioshow in Detroit prämieren die Hörer dann den Hauptgewinner – für die unsinnigste Kundenwarnung der Saison.
Bobs Keller ist eine Fundgrube für alle, die sich gern über Amerika amüsieren. »Das ist, wie Sie unschwer sehen können, ein CD-Regal«, hält er vor uns ein handelsübliches, armlanges Gittergestell hoch, dessen Drahtmaschen je eine Compactdisc fassen. Dazu liest er den Firmenhinweis vor, es bitte nicht als Leiter zu verwenden. Ein Sonnenschutz aus weißer Pappe für Autofrontscheiben trägt auf der Innenseite fett gedruckt den Ratschlag, ihn vor dem Losfahren tunlichst zu entfernen. Und sein Lieblingsstück, ein original verpackter Angelhaken, schmückt der Packungsaufdruck »Harmful if swallowed«: Nicht verschlucken!
»Gut, dass Fische nicht lesen können«, lacht Bob und erzählt uns, dass seine Sammelleidenschaft mit dem berühmten heißen Kaffee angefangen habe, den sich eine Drive-In-Kundin bei McDonald’s einst über die Hose goss, worauf sie die Imbisskette auf Schmerzensgeld verklagte. »Das brachte ihr zwar nicht die Millionensumme, die sie zunächst forderte, aber immerhin 600 000 Dollar«, sagt er. »Seitdem hat sich Amerika gewandelt.«
Auf der Fahrt zum Radioauftritt zeigt er auf eine Schule. »Sehen Sie den Spielplatz dort?«, fragt er. »Früher gab es da immer diese Wippen, die wir alle noch kennen.
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