Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
Vom Netzwerk:
Meine Kinder liebten die. Heute sind sie nicht mehr da. Warum? Sobald einer herunterfiel, verklagten Eltern und Anwälte die Schule. Das wurde zu teuer.«
    Er finde auch in keinem Hotelpool mehr ein Sprungbrett, winkt er ab, weil zu viele Leute bei Verletzungen die Hotels zur Kasse gebeten hätten, allein schon, weil dort immer gutes Geld herauszuholen sei. Seine Kritik gelte dabei weniger den Klägern als denen, die sie dazu drängten. »Der allergrößte Teil der Summen landet bei den Schadensersatzanwälten«, sagt er uns. »Dass sie aberwitzig überhöht sind, weiß jeder. Aber im Zweifel zahlen Firmen trotzdem lieber, als sich auf jahrelange Prozesse einzulassen, selbst wenn sie sie gewinnen würden.«
    Als Justizkritiker ist der Mann inzwischen landesweit bekannt. Ein Büchlein, das er herausgegeben hat, veranschaulicht in Comic-Form, was Bob schon alles auserwählt hat. Das Cover zeigt eine zerstreute Mutter, die vergeblich versucht, einen Kinderbuggy zu falten – entgegen dem Produkthinweis, dies nicht zu tun, solange darin noch das Kind sitzt.
    »Dass Anwälte mit Klagen Geld verdienen wollen, kann ich nachvollziehen, aber warum lassen Richter solche Klagen zu?«, frage ich Bob. »Und warum bestätigen sie die Summen?«
    »Auch Richter werden hier gewählt, alle vier Jahre«, antwortet er. »Und wie sichern sie ihre Wiederwahl? Indem sie in Fernsehspots und Zeitungsanzeigen für sich werben. Das wiederum bezahlen sie mit Spenden von Anwälten, die mit Klagen ihr Geld verdienen. Es ist ein schöner Kreislauf.«
    Der Radiomoderator kennt Bob noch aus den Vorjahren. Noch immer lacht er über den Wäschereibetreiber, dem die 500-Dollar-Siegerprämie zufiel, nachdem er einen Wäschetrockner mit der Aufschrift fotografiert hatte: »Bitte keine Menschen hineinstecken.« Als die Sendung endet, haben sich die Hörer für eine Outdoor-Klobrille entschieden, die Jäger oder Ausflügler ans Heck ihres Geländewagens schrauben können, um auch im Wald bequem stille Geschäfte zu erledigen. Die Herstellerwarnung, das Gerät nicht am fahrenden Auto zu benutzen, fand den meisten Zuspruch.
    Auch Weihnachtseinkäufer, die wir in der Innenstadt ansprechen, kennen zur Genüge »Wacky Labels«-Anekdoten. »Natürlich ist das alles lächerlich«, meint ein Passant. »In anderen Ländern würde man sagen, wenn du unter den laufenden Rasenmäher greifst, bist du bescheuert. Das wäre kein Fall für einen Richter.« Eine Frau schimpft: »Als Verbraucher bezahlen war das am Ende alles mit.«
    Ein Rechtsprofessor, den wir dazu befragen, preist jedoch zu unserer Überraschung das klagefreundliche System, trotz aller Auswüchse, wie er beteuert. »Das amerikanische Modell motiviert faktisch Verbraucher, durch Klagen Produkte zu verbessern. Wenn die Regierung alle Sicherheitsstandards regeln würde, käme uns das nicht billiger«, sagt er. »Bei Ihnen regeln das Bürokraten, bei uns tut es allein der Markt.«
    Als Beleg führen auch andere US-Juristen gerade den aufsehenerregenden Prozess gegen McDonald’s an. Auch die Belegschaft habe dort zuvor intern beklagt, dass der Brühkaffee gefährlich heiß aufgegossen werde, nur um im Becher länger warm zu bleiben. Selbst Verletzungen bei Mitarbeitern habe der Konzern in Kauf genommen. Geändert habe er es erst nach der Klage der Kundin.
    Bob Dorigo Jones hält das jedoch nicht davon ab, alljährlich seinen Feldzug fortzusetzen. »Mag ja sein, dass Klagen manches schon verbessert haben«, schmunzelt er weiter. »Trotzdem werde ich nie verstehen, warum auf einem Feuermelder stehen muss, dass das Drücken des Batterie-Testknopfes noch kein Feuer löscht. Die Welt muss doch denken, wir seien hier alle Hohlköpfe.«
    Zum Abschied schenkt er uns ein paar Abziehbildchen, mit denen sich Kinder-T-Shirts verzieren lassen. Als wir die Rückseite betrachten, lesen wir aufgedruckt: »Bitte nicht auf Kleidung bügeln, die gerade jemand trägt.«
    Woher der Wind kommt
     
    Eine weitere Feiertagsrecherche führt uns ins Reservat der Schwarzfuß-Indianer am Rand der Rocky Mountains. Zu den für mich unvergesslichen Gesprächspartnern meiner Korrespondentenzeit zählt deren Häuptling Lockiger Bär, dem die Tagesthemen einen winterlichen Wetterbericht verdanken, den unsere Fachredaktion in Frankfurt nie hätte liefern können. Denn »Curly Bear« hat mir erklärt, warum der Wind weht und wie es kommt, dass Bären Winterschlaf halten. Gemeinsam mit Kindern einer Grundschule lauschten wir damals seiner tiefen

Weitere Kostenlose Bücher