Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
etwas anzubieten und deshalb alles auf eine Großinvestition gesetzt, die endlich die Wende bringen sollte: ein Hochsicherheitsgefängnis, das reichlich Mieteinnahmen von einer privaten Betreiberfirma bringen sollte – und dazu noch sichere Arbeitsplätze. So wollten Hardins Ortsvorsteher das stete Bangen vor der jeweils nächsten Wirtschaftsflaute ein für alle Mal beenden. Verbrecher gebe es doch immer, dachten sie. Sie künftig in Hardins Superknast zu sperren sollte für alle anderen hier ein Befreiungsschlag werden.
Doch weil nicht nur Hardin so dachte, blieb der Ort auf seinen Schulden sitzen – 20 Millionen Dollar. Kein Mieter fand sich. Die Justiz schloss ihre Straftäter lieber woanders weg. Nun glänzt der Stahl der Gitterstäbe, der Knastkantine und der Schiebetore ungenutzt. Nichts wäre da hilfreicher als ein paar Fuhren Terrorverdächtiger aus Guantanamo.
»Wir haben hier 36 Hochsicherheitszellen«, zeigt uns Greg beim Rundgang. »Darin können die schlimmsten Verbrecher untergebracht werden. Jeder mit Fußfesseln und zwei, drei persönlichen Wachleuten rund um die Uhr.«
Vollautomatisch bewegen sich Zwischentüren, bis sie krachend ins Schloss fallen. Die Überwachungstechnik, die Videobilder in einen Kontrollraum liefert, ist auf dem neuesten Stand. Selbst der Gefängnishof wirkt gehegt, kein Unkraut findet hier noch eine Nische. Wären nicht ringsherum die üblichen Stacheldrahtrollen gespannt, von außen könnte man den Flachbau für eine Schule oder einen Betrieb halten.
Natürlich gibt es auch in Hardin Menschen, die beim Stichwort Guantanamo nur mit den Achseln zucken und einem zu verstehen geben, dass Terroristen dort besser aufgehoben seien als im Inland. Doch die allermeisten im Ort hat der fehlgeplante Knast pragmatisch werden lassen. »Uns ist ganz egal, wer da drin ist, Hauptsache, es ist überhaupt jemand drin«, sagt uns eine Anwohnerin, »die werden mit dem Transporter reingefahren und kommen nie mehr raus. Wo also ist das Problem?«
Greg Smith preist das in Briefen an den Präsidenten als weiteren Standortvorteil, sollte Obama die Verlegung doch noch erreichen. »Gegen Terroristen gibt es bei uns keine Proteste, anders als in den Konkurrenzgemeinden«, beteuert er.
Tatsächlich machten sich bei Obamas Amtsantritt noch mehr Städte mit Hochsicherheitsgefängnissen Hoffnung auf den Zuschlag. Nur wehrten sich dort Lokalpolitiker und Bürger vehement gegen die Bewerbung. »Sicherheit geht über alles! Keine Terror-Häftlinge!« stand auf Protestbannern in Michigan, als die Regierung dort eine Haftanstalt mit in die engere Wahl nahm. Auf einer Anhörung beschwerten sich die Wortführer, es gebe ja wohl noch einen Unterschied zwischen einheimischen Kriminellen und moslemischen Kriegern. In Kansas, wo ebenfalls ein Hochsicherheitstrakt verfügbar wäre, lehnte sich der republikanische Senator aus dem Fenster. »Wir wollen diese Leute nicht«, schimpfte er gegen die Vorauswahl. »Sie sollen meinetwegen human behandelt werden, aber auf keinen Fall hier.« In Hardin nährten solche Nachrichten weiter die Hoffnung.
»Das Land hat ein Problem, wir bieten die Lösung«, schwärmt Greg noch immer, als er das Hauptlicht löscht und uns wieder nach draußen bringt, »so ist das doch in der freien Marktwirtschaft.«
Vorschuss aus Oslo
Obama müht sich derweil, zwischen sich und dem mächtigen Pentagon samt den Geheimdiensten keine Kluft wachsen zu lassen. Mit der Wahl des Republikaners Robert Gates als Verteidigungsminister, der mithin Obamas innerstem Machtzirkel angehört und loyal zu ihm steht, hat er sich vor konservativen Gegnern bisher erfolgreich abgeschirmt. Denn deren Kritik würde zuallererst ihren Parteifreund treffen. Für einen Präsidenten, der zwei Kriege geerbt hat, ist das politisch lebenswichtig.
Auch Friedensaktivisten, die nach Obamas Wahl sogleich alle US-Soldaten heimholen wollen, enttäuscht er – und unterscheidet weiter, wie schon während der Wahlkampagne, zwischen dem falschen Einsatz im Irak, den er immer abgelehnt habe, und der notwendigen Afghanistan-Mission, die von der Bush-Administration sträflich vernachlässigt worden sei. Dennoch wendet er dort bald die gleiche Strategie an, mit der Bush im Irak zuletzt einigen Erfolg hatte – er sagt den Militärs eine massive Aufstockung der Truppen zu. Allerdings koppelt Obama dies an einen termingerechten Abzug.
Starreporter Bob Woodward zeichnet später akribisch nach, wie einsam und ausdauernd der Präsident
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