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Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)

Titel: Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Scherer
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das Wasser erreicht deine Lungen, sodass du ertrinkst. Ich habe Probleme damit, das anzuwenden, so wie viele andere auch. Wir Amerikaner sollten so etwas nicht tun.«
    Gerade ist da bekannt geworden, dass die CIA im großen Stil Aufzeichnungen gelöscht hat, die als Belastungsmaterial gegen die Folterer hätten herhalten können. »Warum sollte jemand das machen, außer um Beweise zu unterdrücken«, schäumt damals Senator Ted Kennedy. Auch in anderen US-Gefangenenlagern, so wird später bekannt, arbeiteten Verhörexperten mit Scheinhinrichtungen und Stromschlägen oder stellten ihre Fragen mit vorgehaltener, laufender Bohrmaschine.
    Eugene Fidell, Rechtsprofessor am US-Institut für Militärjustiz, nennt die Frage, ob Waterboaring Folter sei, einen »no-brainer«, sprich: es sei kein Hirn nötig, um das zu erkennen. Denn es sei offensichtlich, sagt er uns im Interview.
    Ein Videomitschnitt aus einem Lager kommt dennoch ans Licht. Der Junge, dessen Verhör er dokumentiert, ist bei seiner Festnahme gerade mal 15 Jahre alt, ein Moslem mit kanadischem Pass. Bei Gefechten in Afghanistan habe er eine Granate geworfen und so einen US-Soldaten getötet, lautet der Vorwurf. Nun soll er Details über al-Qaida verraten. Tagelang wird er vernommen, eine Kamera nimmt offenbar durch das Gitter eines Lüftungsschachtes Szenen auf. Darin beklagt er, im US-Gewahrsam mehrfach gefoltert worden zu sein, zeigt seine Wunden, bricht zusammen, weint und schreit verzweifelt: »Helft mir, tötet mich, euch interessiert doch sowieso nicht, was ich sage.«
    Das Band erregt weltweit Aufsehen. Nicht weil die Szene erkennbar physisch brutal wäre, sonst hätte der Geheimdienst sie wohl längst gelöscht, sondern weil es das erste Videomaterial ist, dessen Herausgabe Anwälte erstreiten.
    Als die Nachrichtenagenturen die Bilder verbreiten, bin ich zu einem Hintergrundgespräch bei einem Rechtsanwalt in Boston, der ebenfalls Guantanamo-Häftlinge vertritt. »Es ist dort schlimmer als in den schlimmsten Gefängnissen Amerikas«, sagt Sabin Willett. Seine Mandanten sind Moslems chinesischer Herkunft, von denen er einzelne schon freibekommen hat, während andere noch in ihren Zellen kauern, wie er sagt, ohne dass die Regierung ihnen überhaupt noch etwas vorwerfe. Huseifa etwa, von dem er nicht einmal ein Foto hat, habe längst aufgegeben. »Er bat uns, seiner Frau zu schreiben, dass sie wieder heiraten soll, den Kindern zuliebe«, sagt der Jurist. »Er ist seit sieben Jahren dort, obwohl wir grandios vor Gerichten gewonnen haben.«
    Er spricht von Isolation, wochenlangem Schlafentzug und Psychofolter. Viele seien gar nicht mehr ansprechbar. Darunter seien Festgenommene, die nur in den Kriegswirren von Nutznießern verleumdet worden seien, um eine Belohnung zu kassieren. Und weil der Militärapparat dies nie habe korrigieren wollen. »Die Regierung argumentiert inzwischen sogar, dass sie niemanden entlassen könne, weil es sich dann ja um einen Einwanderungsfall handle. Ich bin diese Winkelzüge schon lange leid.«
    Nach dem ersten Irak-Krieg sei das noch anders gewesen. Alle zu Unrecht Festgehaltenen seien damals innerhalb von ein paar Monaten freigekommen. Sogar ohne Rechtsanwälte.
    Doch die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten, konservative wie demokratische, vereitelt Obamas Absicht, das Lager auf Guantanamo aufzulösen, auf recht elegante Weise. Sie verweigern ihm die Mittel für die Überführung der Insassen. »Das Problem, was mit den Häftlingen geschehen soll«, rechtfertigt sich Obama später, »entstand nicht durch meine Entscheidung, das Lager zu schließen, sondern durch die Entscheidung anderer, es überhaupt einzurichten.« Dennoch wird ihm die politische Linke vorhalten, er habe nicht genug gekämpft. Auch Alexander Abdo vom US-Bürgerrechtsverband Civil Liberties Union ist vom Präsidenten enttäuscht. »Die Frage ist, ob wir wirklich weiter über so etwas hinwegsehen wollen«, sagt er uns stellvertretend für die Kritiker. »Es war Obama selbst, der einmal gesagt hat, niemand stehe über dem Gesetz.«
    Hauptsache Häftlinge
     
    Dabei hätte sich Greg Smith nichts mehr gewünscht als neue Gefangene. Und er tut es noch immer. Jedes Mal, wenn er als zuständiger Wirtschaftsdezernent der 3000-Einwohner-Gemeinde Hardin im Bundesstaat Montana seine blitzsauberen Gefängniszellen abschreitet, kommt er zu ganz anderen Kosten-Nutzen-Analysen als der Kongress in Washington. Gregs Heimatstadt hat seinen Jobsuchenden seit Jahren kaum noch

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