Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
ausfällt, als von vielen erhofft, liegt jedoch auch an anderen. Die klare Abkehr von Bushs Folterpraktiken etwa hätte schon damit beginnen müssen, dass man sie beim Namen nennt. Stattdessen aber wurden sie schon durch die Wortwahl weiterhin versteckt.
Vom Verbiegen der Sprache
Als sich die Beschuldigten erheben, herrscht Ruhe im Saal. Sie ahnen ihr Urteil. Der Vorwurf: Misshandlung von Kriegsgefangenen. Das Mittel: Wasserfolter, simuliertes Ertränken also, in Amerika auch Waterboarding genannt. Dabei wird der Häftling liegend gefesselt und sein Kopf mit Wasser übergossen, was ihn in Panik versetzt, würgend, wie im Todeskampf. Ein klarer Verstoß gegen internationales Recht, stellen die Richter fest. Ihr Urteil: »Schuldig!«
Nicht etwa Expräsident George W. Bush und sein Stellvertreter Richard Cheney sitzen den Richtern gegenüber, um sich wegen ihrer Waterboarding-Anordnungen zu verantworten. Der Schuldspruch fällt in Tokio, nach Ende des Pazifikkrieges. Die US-Richter sitzen dem Internationalen Militärtribunal für den Fernen Osten vor, und die Verurteilten sind ausschließlich Japaner. Der Unterschied ist, dass sie amerikanische Gefangene gefoltert haben. Die milderen Urteile lauten auf Arbeitslager, die härteren auf Tod durch Erhängen.
Von solcherlei US-Rechtsprechung will man jedoch auch im Nach-Bush-Amerika nichts wissen. Bush hatte die Wasserfolter über die Geheimhaltung im Lager Guantanamo hinaus auch im Allgemeinbegriff »harte Verhörtechnik« versteckt. Als gehöre es zum Repertoire des Rechtsstaats, dass man Befragte fesselt und zum Röcheln bringt. Hätten Japans Kriegsverbrecher – oder China oder seinerzeit Saddam Hussein – sich so herausgeredet, die Presse im freien Teil der Welt hätte ihnen billige Propaganda vorgeworfen. Nun, nach Obamas Anordnung an die Geheimdienste, die Folterpraktiken der Vorgängerregierung einzustellen, windet sich selbst die ehrwürdige Washington Post weiter in pseudoneutralen Formulierungen. Es gehe um Befragungstechniken, berichtet sie, die Obama im Gegensatz zur Bush-Administration als Folter ansehe. So wird der Tatbestand erneut zur Ansichtssache. Der nächste Präsident, nach Obama, mag es ja wieder anders sehen.
Mit seiner eigenwilligen Neudefinition von »Sex« kam Expräsident Clinton nicht so weit. Im Gegenteil: Darüber lachte das ganze Land, bis er die Wortakrobatik aufgab. Aber das war auch allein sein Skandal. Wenn Amerika foltert, steht das Ansehen aller auf dem Spiel. Sprachnebel als Sichtschutz kommt da vielen gelegen. Das Problem ist, dass damit auch die juristische Aufarbeitung schwierig wird. Amtsvorgänger strafrechtlich zu belangen ist in Amerika ohnehin nicht üblich.
Dabei kam ihnen Obama schon weit entgegen. Fotos, die über die Enthüllungen von Abu Ghraib hinaus belegen könnten, in welchem Ausmaß die Bush-Cheney-Regierung Menschen misshandeln ließ, hält auch Obama unter Verschluss. Die weltweite Empörung, die sie auslösen würden, argumentiert er, würden US-Soldaten in Gefahr bringen. Selbst den Waterboarding-Spezialisten der CIA sichert er Immunität zu, als seien sie nur naive Handlanger gewesen. Doch statt dankbar zu schweigen, preisen die Pro-Folter-Wortführer, allen voran Cheney, aber bald auch fast alle neuen konservativen Präsidentschaftsbewerber sie als »professionelle, erfolgreiche Verhörtechnik«.
Sogar in Bushs Heimatbundesstaat Texas sah man das zuletzt noch anders: 1983 verurteilte dort ein US-Richter einen Sheriff und seinen Gehilfen – wegen Anwendung von Wasserfolter bei Festgenommenen, die ungeständig waren. Als Strafmaß legte er zehn Jahre Haft fest.
»Du glaubst, du ertrinkst«
Als die demokratische Senatorin Dianne Feinstein Ende 2007 im Senatsausschuss den Brigadegeneral Thomas Hartmann fragt, ob auch Folteraussagen in Militärprozesse einfließen, antwortet der Zeuge zögerlich. »Die Beweise, die wir sammeln, sind die Beweise, die wir sammeln. Ihre Aussagekraft beurteilt der Militärrichter. Die Methoden, die wir zuvor angewandt haben, lassen sich hier nun mal nicht abstrakt definieren.«
Die Vorsitzende Feinstein lässt sich ihren Ärger anmerken. »Verstehe«, sagt sie, »Sie wollen die Frage nicht beantworten.« Dabei hat er sie beantwortet. Er wollte nur nicht rundweg Ja sagen.
Unterdessen räumt der frühere CIA-Ermittler John Kiriakou in Interviews reumütig ein, er habe solche Verhöre selbst geführt. Natürlich sei das Folter. »Du kannst nicht mehr atmen und denkst,
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