Wahnsinn Amerika: Innenansichten einer Weltmacht (German Edition)
sie hilfreich«, sagt mir der ehemalige Innenminister Afghanistans, Ali Ahmad Jalali, in Washington. Er selbst habe seinerzeit die NATO zu mehr Härte gedrängt. Aber inzwischen beklagt er, dass Todeslisten ohne Rechtsgrundlage das Land nur in noch mehr Probleme stürzen. »Menschen können Sie nun mal nicht einfach erschießen, ohne je ihre Schuld nachzuweisen. Wie wollen Sie das rechtfertigen«, fragt er, »wenn Sie zugleich für den Aufbau eines Rechtsstaats werben wollen?«
Dennoch hält der US-Präsident, wenn nicht die gesamte NATO, offenbar an den Listen fest, die noch aus der Zeit George W. Bushs stammen und ausschließlich Zivilpersonen aufzählen. Vom Rechtsstaat sei Afghanistan ohnehin noch Lichtjahre entfernt, argumentieren manche Militärberater. Warum also nicht anwenden, was anderswo längst in die Regierungssprache Einzug hielt – als »außergerichtliche Tötung«.
Gute Zeiten für Waffen, die das auch ohne Truppen können. Unbemannte Drohnen etwa, die ebenso wie die Tötungslisten offenbar Ergebnis eines stillen Strategiewechsels sind. Um mehr zu erfahren, besuchen wir eine Flugschau im Bundesstaat Maryland.
Wie eine Experimentiermesse für Hobbybastler wirkt die Veranstaltung. Nur hat das US-Militär eingeladen, und die Flugkörper sind nicht aus Leichtholz und allein zum Fliegen geschaffen, sondern akribisch ausgestattete Mini-Killer. Der Pilot sitzt nun nicht mehr im Cockpit. Er lenkt Tausende von Meilen entfernt am Laptop, sei es, um nur Gelände zu erkunden oder um zu schießen. »Alle Flüchtigen vernichtet«, meldet er dann, wie es bisher eher die Schützen in den Kampfhubschraubern tun, »keine eigenen Verluste.«
Viele Drohnentypen könne das Militär bis zu 20 Stunden lang ununterbrochen einsetzen, sagt uns US-Marinekapitän Martin Deppe. »Wir müssen uns nun nicht mehr sorgen, wie lange Menschen fliegen können. Die Leute am Steuerlaptop wechseln sich ab. In echten Flugzeugen geht das nur, wenn sie Raum für eine große Mannschaft bieten.«
Doch auch Videoschützen machen Fehler. Für den letzten, der bekannt wurde, hat sich Außenministerin Hillary Clinton entschuldigen müssen, als Afghanistans Staatspräsident Karzai gerade zu Besuch war. »Wir sind nicht perfekt«, versuchte sie zu beschwichtigen, »wir machen Fehler, deshalb müssen wir den Dialog weiterführen, und sei es nur, um unsere Betroffenheit auszudrücken.«
Tage zuvor hatte ein US-Drohnenschütze versehentlich auf Zivilisten gefeuert, die Schutz in einem Haus gesucht hatten. Dutzende Tote wurden danach geborgen. Auch Drohnen, warnt später eine Studie des Washingtoner Think Tanks Center for a New American Security, seien keine Lösung ohne Rückschläge.
Der Militärhistoriker und Agenturkorrespondent Gareth Porter, einer der bestinformierten Kriegsberichterstatter Washingtons, erklärt uns unterdessen, wie Drohnen ihr Ziel finden. »Der Geheimdienst bezahlt Dorfbewohnern Geld dafür, dass sie mit elektronischen Chips verdächtige Häuser markieren. Da galt auch schon mal als Kriterium, dass die Bewohner arabische Einwanderer waren. Die hat man dann beobachtet oder auch gleich beschossen. Mitunter weiß niemand vorher wirlich, wer das ist, auf den eine Drohne feuert.« In Pakistan vor allem sei das gängige Praxis. Als Grundlage aber reiche das nicht.
In den Folgejahren weitet Obama den Einsatz von Drohnen und mit Tötungslisten ausgestatteten Spezialkommandos weit über das Maß seines Vorgängers hinaus aus. Mehr als jeder andere etabliert er damit eine Kriegsstrategie, die meist jenseits jeder Öffentlichkeit und ohne den Einsatz teurer Bodentruppen ihre Opfer sucht. Sie erlaubt ihm sogar, in Ländern Krieg zu führen, denen Amerika nie einen solchen erklärt hat – wie in Pakistan, wo er auf das Stillhalten der Regierung setzt, oder im Jemen, wo er mit den Machthabern gegen Aufständische kooperiert. Die dortige Regierung, so belegen Dokumente, die die Internet-Plattform Wikileaks ans Licht bringt, gibt einfach vor, sie selbst habe die Angriffe durchgeführt. Seine Worte von Oslo strapaziert Obama damit sehr.
Tarnflug nach Pakistan
An seinem spektakulärsten Tötungsfall freilich lässt der Präsident die Öffentlichkeit gerne teilhaben, wenn auch streng kontrolliert: Ein akribisch vorbereiteter, monatelang durchgeplanter nächtlicher Blitzeinsatz in Pakistan, an dessen Ende der meistgesuchte Terrorist der Welt von US-Elitesoldaten erschossen wird – Osama bin Laden.
Im Tiefflug und vom Radar der
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