Wahnsinn, der das Herz zerfrisst
unerwartet bei Georgiana auftauchte, entdeckte die ganze Angelegenheit. Er brachte Medora umgehend nach London zurück, wo sie infolge der Reise eine Fehlgeburt hatte. Da Augusta selbst erst einige Zeit später von einem Besuch in die Stadt zurückkehrte, konnte ihr alles noch immer verheimlicht werden, bis Henry Trevanion nach London kam und ein drittes Kind mit Medora zeugte.
Augusta war entsetzt und fühlte sich an diesem Unglück ihrer beiden Töchter mitschuldig, hatte sie doch Trevanion in die Familie eingeführt. Sie konnte jedoch nicht verhindern, daß Henry mit Medora nach Frankreich durchbrannte. Georgiana, ebenfalls schwanger, kehrte mit ihren zwei Kindern zu ihrer Mutter zurück. Ihr Gemahl dachte nicht daran, sie wenigstens finanziell zu unterstützen. Also kam Augusta für den Familienzuwachs auf.
Ihre drei Söhne orientierten sich am väterlichen Beispiel UND entwickelten sich zu Spielern, so daß die Familie Leigh schuldenbelasteter denn je dastand. Außerdem ging Henry Trevanion in Frankreich keinem Beruf nach. Medora schrieb ihrer Mutter verzweifelte Briefe, in denen sie für sich und ihre inzwischen geborene Tochter um Hilfe bat. Augusta schickte ihr, was sie konnte - Medora war ihre Tochter - , doch das war reichlich wenig.
Als Medora vorgab, sich von Trevanion lösen zu wollen, und berichtete, er hielte sie fast wie eine Gefangene, sandte Augusta ihr alle nötigen Urkunden (Paß, Geburtsschein, Georgianas Heiratsurkunde), damit sie sich befreien und den Behörden glaubwürdig versichern konnte, nicht Trevanions Ehefrau zu sein, über die er unbeschränkte Gewalt gehabt hätte.
Byrons alter Freund Hodgson erbot sich, die Papiere zu überbringen. Er sollte Medora helfen und sicherstellen, daß sie übergangsweise in einem Kloster unterkäme, denn »Libby« war schon wieder schwanger und konnte nicht weit reisen. Doch kaum hatte Hodgson Frankreich verlassen und Medora eine Totgeburt gehabt, da tauchte Henry Trevanion in ihrem Kloster auf. Medora folgte ihm willig.
Inzwischen war Georgiana sehr schwer krank geworden, so daß Augusta sich entschied, Medora kein Geld mehr zu schicken.
Als sie nach einiger Zeit diesen Entschluß wieder rückgängig machte, denn sie wußte, daß Medora nicht allein zurechtkam, mußte sie feststellen, daß ihre Tochter mittlerweile von anderer Seite Unterstützung bekommen hatte.
Annabella, Lady Byron, hatte sich in ihrer bekannten Großmütigkeit entschlossen, Medora Leigh aus ihrer Verirrung zu befreien. Sie war nach Frankreich gereist und hatte Medora, die inzwischen von Henry Trevanion verlassen worden war, zu sich genommen. Annabella war ganz alleine zu der festen Überzeugung gekommen, daß Medora Byrons Tochter sei. Nun sah sie in dieser Frucht der Sünde die perfekte Möglichkeit, sich endlich an Augusta zu rächen.
Denn inzwischen hatte Annabella sich eingeredet, Byron müßte eigentlich reuig zu ihr zurückgekommen sein, wäre er nicht davon abgehalten worden. »Es ist unnatürlich einen Menschen so lange zu hassen«, schrieb sie und kam nie auf die Idee, daß dieser Satz auch auf sie zutreffen mochte. Nur der böse Einfluß und die Aufhetzungen seiner Schwester konnten Byron dazu gebracht haben, sie zu verabscheuen. Nur Augusta hatte Schuld daran, daß ihre Ehe überhaupt mißglückt war, daß Annabella seit Jahrzehnten nur noch mit Blick auf die Vergangenheit lebte und mit jedem nur über das ihr angetane Unrecht sprach.
Aber nun - nun hatte sie eine Chance, sich so an Augusta zu rächen, daß dieser ihr Lachen für immer vergehen würde. Sie schickte Augustas Briefe an Medora ungeöffnet mit einem Begleitschreiben zurück, in dem sie Augusta beschuldigte, eine unmenschliche, hartherzige Mutter für Medora gewesen zu sein, deren amoralisches Beispiel das Unglück ihrer Tochter erst verursacht hatte. »Laß sie in Ruhe!« schloß Annabella und konnte bald mit Befriedigung den Erfolg ihres Vorgehens beobachten.
Augusta war verzweifelt. Alle Verteidigungen nützten nichts, Annabella antwortete nur, daß ihre eigene Tochter sie völlig zu Recht haßte.
Annabella mußte allerdings bald erkennen, daß Medora Leigh vielleicht nicht die ideale Waffe war. Medora haßte es, von irgend jemandem dominiert zu werden. Nach einigen Monaten überschwenglicher Freundschaftsbeteuerungen endete ihr Zusammenleben mit Lady Byron in einem großen Streit. Da sie jedoch nach wie vor Geld brauchte, blieb sie mit ihr in brieflichem Kontakt und konnte so aus London schreiben,
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