Wahnsinn, der das Herz zerfrisst
und versprach, nach seiner Rückkehr aus Griechenland einmal nach Weimar zu kommen, um dem Mann, der die deutsche Literatur neugeschaffen habe, persönlich zu begegnen.
Auch Theresa zu verlassen, fiel Byron nicht übermäßig schwer.
Er hatte schon länger das Gefühl gehabt, ihre Beziehung neige sich dem Ende zu, was in ihm nur Schuldgefühle nährte. Theresa blieb weinend zurück, aber Mary Shelley, alle Entfremdung vergessend, versprach, sich um sie zu kümmern. Beide Frauen schließlich blickten auf die »Herkules« herab, die mit Byron, Theresas Bruder Pietro Gamba und Trelawny an Bord aus dem Hafen auslief.
Der griechische Freiheitskampf, der im Vorjahr begonnen hatte, steckte mehr oder weniger in einer Sackgasse. Das hatte seinen Grund vor allem darin, daß nicht eine, sondern mehrere Parteien sich eifrig untereinander bekriegten, statt sich zum Kampf gegen die Türken zu vereinen. Der bekannteste Führer war ein ehemaliger Räuber mit dem klangvollen Namen Odysseus Androustses, der den Norden Griechenlands für sich beanspruchte. Auf dem Peleponnes war Theodor Coloetrones der führende Mann. Nebenbei existierte noch ein gewählter Präsident, Fürst Alexander Mavrokordatos, den die Türken bereits einmal vernichtend geschlagen hatten. Alle diese Parteien bemühten sieh eifrig um den englischen Lord, hinter dem man sagenhafte Geldsummen und natürlich die britische Regierung vermutete.
Byron war von diesen gänzlich unheroischen Zwistigkeiten tief enttäuscht, »Ich bin nicht hierhergekommen, um mich einer Partei, sondern einer Nation anzuschließen, und ich will es mit ehrlichen Männern und nicht mit Spekulanten und Betrügern zu tun haben«, sagte er zu Trelawny. Dieser favorisierte wie Pietro Gamba den Nordgriechen Odysseys, der ihm die Verkörperung des edlen Kriegers schlechthin schien. Byron verhielt sich zurückhaltend, was Trelawny nicht verstand
Er konnte Byron nicht zustimmen, als jener bemerkte:
»Manchmal frage ich mich, ob meine Hilfe für die Griechen nicht ebenso nützlich sein wird wie Zügel für jemanden, der weder Sattel noch Pferd besitzt.«
»Für wen auch immer Sie sich entscheiden«, rief Trelawny enthusiastisch, »er wird gegen die Türken kämpfen, und nur darauf kommt es an!« Byron war in bissiger Stimmung. »O wissen Sie, Tre, ich kenne die Türken - es sind keine Ungeheuer. Tatsächlich gleichen sie den Engländern sogar mehr, als man vermuten würde. In England sind die Modelaster Trinken und Huren, bei den Türken Opium und Sodomie. Es sind vernünftige Leute.«
»Aber Byron!«
Ende Dezember beschloß Byron, nach Missolunghi zu segeln, wo der gewählte Präsident inzwischen wieder die Amtsgewalt übernommen hatte. Dort war noch am ehesten ein Zentrum der griechischen Bemühungen zu sehen. Auf der Reise kam es zum erstenmal zu einer ernsthaften Begegnung mit den Türken, die um ein Haar sein Schiff gekapert hätten. Byron gelang die Flucht, aber Pietro Gamba, der ihm mit Gepäck und neu gekauften Waffen auf einem schwerfälligeren Schiff folgte, fiel den Türken in die Hände. Doch der junge Italiener hatte unglaubliches Glück.
Es stellte sich heraus, daß der Kapitän seines Schiffes vor Jahren dem türkischen Kapitän das Leben gerettet hatte. Diesen Umstand verdankten die Gefangenen eine ausgesprochen höfliche Behandlung durch den zuständigen Kommandeur, der sie, selbstverständlich ohne Waffen und Munition, nach Missolunghi schickte. Byron schöpfte aus dieser Geste die Hoffnung auf eine humane Kriegsführung mit menschlicher Behandlung der Gefangenen, was eines seiner Hauptanliegen war.
Er hatte den Eindruck nicht vergessen, den die verödeten Felder von Waterloo auf ihn gemacht hatten, diese stummen Zeugen eines sinnlosen Gemetzels. Byron glaubte nicht an die Vorzüge des sogenannten Heldentods:
Ich möchte wissen, ob es tröstlich ist,
Gedruckt zu werden in dergleichen Lagen?
Ich, ehre je Gott Mars wie jeder Christ,
Doch halt ich’s nicht für Sünde, so zu fragen;
Auch ein gewisser Shakespeare, wie ihr wißt,
Läßt jemand etwas Analoges sagen
In einem jener Stücke, toll und wild,
Die zu zitieren heut für geistreich gilt.
Aber um die Griechen von der türkischen Fremdherrschaft zu befreien, war ein Krieg unerläßlich. Byron warb ein Korps von sechshundert Soldaten an, christliche Albanier aus den von den Türken vertriebenen Bergstämmen, was sich als katastrophaler Fehler erwies. Die Sulioten, wie sie genannt wurden, hatten
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