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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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als sie unbemerkt einen flüchtigen Blick auf ihre Mutter erhaschte: »Sie sieht böse aus… hätte sie nur das Leben erstickt, das ihre Sünde mir gab… Möge Gott ihr vergeben! Daß ich sie so geliebt haben konnte!«
    Medora ging wieder nach Frankreich, wo sie, um sich und ihre Tochter zu ernähren, von der Gunst junger adeliger Offiziere leben mußte. Verbissen klammerte sie sich an den Ruf, Lord Byrons Tochter zu sein, was ihr bei ihren Verehrern sehr half.
    Schließlich starb sie an den Folgen einer Fehlgeburt.
    Nach Medora holte der Tod Georgiana, die ihrer Mutter nie ganz verzieh, daß sie Medora unterstützt hatte. Die kleine Augusta, ihr Leben lang pflege- und aufsichtsbedürftig, folgte bald ihren Schwestern. Dann wurde Augusta Witwe, George Leigh, bis zum Schluß der Rennbahn ergeben, segnete das Zeitliche.
    Als Augusta spürte, daß sie selbst sehr krank wurde, und eine ärztliche Untersuchung ihr bestätigte, daß sie nicht mehr lange leben würde, nahm sie dies mit Fassung auf. Ihren Söhnen, die quer durch das Land zogen, tat es wahrscheinlich ganz gut, es nur noch mit der unnachgiebigen Emily zu tun zu haben, und Emily besaß auch genügend Kraft, um für Georgianas Kinder zu sorgen. Augusta konnte sterben, ohne das Gefühl zu haben, ihre Familie im Stich zu lassen.
     
    »Ich hätte nur gerne diesen albernen Streit mit Annabella beigelegt«, sagte sie zu ihrer einzigen überlebenden Tochter. »Wir waren einmal Freundinnen.« Emily schrieb ohne viel Hoffnung auf Erfolg an Lady Byron, die entgegen allen Erwartungen einer Begegnung zustimmte und sich sogar zu ein paar direkt an Augusta adressierten Zeilen herabließ.
    Nach ihrer Rückkehr aus Brighton war Augusta in seltsam ruhiger, abwesender Stimmung, dann brach sie schon tags darauf zusammen. Ihre Agonie zog sich über eine Woche hin.
    In dieser Zeit empfand Annabella gegenüber Augusta mehr Reue als je zuvor oder jemals danach. Ungebeten drängten sich ihr Sätze in Erinnerung, die sie am liebsten vergessen hätte,
     
     
    »Du wirst immer meine liebste Schwester sein«… »sei freundlich zu Augusta«… Sei freundlich zu Augusta!
    Schließlich schrieb sie Emily und bot ihr finanzielle Hilfe an.
    Gleichzeitig bat sie, Augusta eine Botschaft von ihr auszurichten. Es waren nur zwei Worte. Emily war verblüfft und erleichtert zugleich. Sie war sich allerdings nicht sicher, ob die Worte ihre Mutter noch erreichen würden. Trotzdem beugte sie sich über den dünnen, abgezehrten Körper und flüsterte: »Annabella möchte, daß ich dir etwas sage, Mamée.« Sie wartete einen Augenblick auf ein Zeichen der Zustimmung. Ihre Mutter blinzelte. Emily näherte sich ihr darauf noch etwas und wisperte:
    »Liebste Augusta.«
    War Annabellas Botschaft zu ihrer Schwägerin durchgedrungen? Die letzten Worte, die Emily noch aus dem Gemurmel ihrer Mutter heraushören und erkennen konnte, während sie ihre Hände hielt, standen jedenfalls damit in keinem Zusammenhang. »Schnee… Schnee in Newstead, Emily, Schnee… niemand braucht mich so…«
    »Die arme Mamée starb an diesem Morgen, kurz nach drei, nachdem sie seit gestern nachmittag auf schreckliche Weise gelitten hatte - es war in der Tat eine wirklich glückliche Erlösung, aber ihr Verlust kann mir nie ersetzt werden.« Diese Zeilen richtete sie an Lady Byron, und Emily wußte, daß es wahrscheinlich der letzte Brief war, den sie an diese Frau schrieb.
    Als sie Augustas Papiere ordnete, kam ihr Bruder Frederick herein und verlangte zu wissen, was sie da tat. »Ich sortiere Mamées Briefe«, antwortete Emily scharf, »ich mußte schon vorher ein paar davon an Murray verkaufen, um ihre Arzneien zu bezahlen. Mamée hat sich furchtbar darüber aufgeregt, als sie es bemerkte. Murray mußte ihr schriftlich zusichern, daß er sie nicht veröffentlichen würde und wir sie zurückkaufen können, sowie wir etwas Geld haben.« Sie warf einen abschätzigen Blick auf ihren Bruder. »Was allerdings nie der Fall sein wird.«
    Frederick erwiderte nichts, sondern nahm einen Stapel von den verblichenen, oft gefalteten Bögen, die von einer krausen, unordentlichen Schrift bedeckt waren, und blätterte sie durch.
     
    »Die nächste Verwandte, die ich in der Welt habe, sowohl durch Blutsbande als auch durch Liebe«…. »und wenn ich fünfzig Mätressen hätte«… »liebe Frau Schwester«… »meine liebste Augusta«… »wir sind dazu gemacht, unser Leben…«
    »In Ordnung«, sagte Frederick, »sprechen wir über den

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