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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eine reiche Frau finden, hatte er dies - wie alles in seinen Briefen - nur halbwegs ernst gemeint. Die meisten ihm bekannten Ehen waren katastrophal verlaufen. Die Heirat seiner Eltern war nur ein Beispiel für eine Eheschließung mit unvorhersehbaren Folgen.
    Und Augusta selbst - das Muster einer unglücklichen Ehe, dachte er. Sie bekam ein Kind nach dem anderen, aber ansonsten schien ihr wettbesessener Gemahl hauptsächlich durch Abwesenheit zu glänzen.
    Byron hatte George Leigh nie gemocht, obwohl er ihn nicht kannte. Vielleicht hatte das seine Ursache in der unklar empfundenen Enttäuschung, damals, als er seine Schwester gerade für sich entdeckt hatte und feststellen mußte, daß sie bereits ernsthaft in diesen unbekannten Vetter verliebt war. Kannst Du Dir diesen Cousin nicht aus Deinem hübschen Kopf schlagen?
    Immerhin, die Ehe hatte sie nicht verbittert werden lassen. Er fand es genauso einfach, ihr zu schreiben, wie damals, als er noch ein Schuljunge in Harrow war. Und sie antwortete auf das, was er meinte, nicht auf das, was er sagte. O Englische Barden!
    Der Rest der Welt bestand darauf, ihn als düsteren romantischen Helden zu sehen - als Childe Harold. Sicher, er hatte Harold als sein Alter Ego gedacht, aber bestimmt nicht vorgehabt, die ganze Zeit nur Klagen und Seufzer von sich zu geben.
    Wenn er mit seinen Freunden Hobhouse, Davies und Kinnaird zusammen war, genossen sie den gegenseitigen Schlagabtausch an ironischen Bemerkungen und dachten nicht daran, in Melancholie zu versinken.
    Caroline allerdings hatte darauf bestanden, er müsse von irgendeinem unaussprechlichen, düsteren Geheimnis verfolgt sein. Später, als er auf ihr »Liebst du mich« mit einem ebenso unhöflichen wie direkten »Nein« geantwortet hatte, war sie zu dem Schluß gekommen, sein Geheimnis liege in seiner Herzlosigkeit.
    Nun ja, jetzt erholte sie sich von dieser Herzlosigkeit in Irland und schrieb ihm eine Flut von Briefen, in denen sie ständig auf Williams unaufhörliche Zuneigung und ihre eigenen bezwingenden Reize zurückkam. Sie versicherte ihm, sie könne jedem Mann den Kopf verdrehen. »Kein Zweifel«, sagte Byron zu Lady Melbourne, mit der er sich angefreundet hatte» »das kann jede Frau, aber zeigen Sie mir eine, die imstande wäre, einen Mann auch länger als vier Wochen zu halten! Das heißt, Sie könnten mir eine solche Frau natürlich schon zeigen.«
    Er mochte Lady Melbourne, und da er sie selten sah, hatte er begonnen, mit ihr zu korrespondieren. Sie war durch nichts zu schockieren und außerdem der Takt in Person, so daß er ihr gegenüber weder düster noch romantisch zu werden brauchte.
    Obwohl er seit Mary Chaworth keine sehr schmeichelhafte Meinung über Frauen im allgemeinen hatte, genoß er in seiner widersprüchlichen Art die bloße Gegenwart eines weiblichen Wesens, und Lady Melbourne war eine der charmantesten Frauen, die er je kennengelernt hatte. Dabei schützte das Alter der etwa Sechzigjährigen sie vor dem Verdacht, in ihn verliebt zu sein, und das gab ihrer Beziehung eine Zwanglosigkeit wie zwischen nahen Verwandten. Ganz abgesehen von allem anderen war Lady Melbourne mit ihrem gesunden Menschenverstand eine wertvolle Ratgeberin in dem Problem, wie man Carolines Briefe beantworten sollte.
    »Warum wollen Sie es überhaupt?« hatte sie gefragt, nicht vorwurfsvoll, sondern wie immer freundlich. »Sie lieben Caroline doch nicht, und durch ihr Benehmen hat sie eigentlich auf Ihre Achtung auch keinen Anspruch.«
    »Da bin ich anderer Meinung«, erwiderte Byron und begann mit gerunzelter Stirn, in Lady Melbournes kostbarem Salon auf und ab zu gehen. »Sicher, ich liebe sie nicht, aber ich habe diese Affäre schließlich genauso gewollt wie Caro, und es muß doch einen Weg geben, die ganze Geschichte zumindest in Höflichkeit zu beenden.«
    »Byron, Sie sind ein Kindskopf«, bemerkte Carolines Schwiegermutter und gähnte, »aber bitte, schreiben Sie ihr. Auf diese Art bekommen wir sie wenigstens seelisch gesund aus Irland zurück.«
    »Wenn sie dreißig Jahre jünger wäre«, sagte Byron an diesem Tag zu Hobhouse über Lady Melbourne, »wäre ich verrückt nach ihr - und ich hätte eine gute Freundin verloren.« Er glaubte nämlich nicht, daß Liebende Freunde sein konnten.
    Um Lady Melbourne einen Gefallen zu erweisen, befolgte er ihren Rat hinsichtlich einer Ehe und machte ihrer Nichte Annabella Milbanke einen Heiratsantrag. Er kannte Miss Milbanke kaum, aber sie hatte auf ihn den Eindruck einer

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