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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ruhigen, betont vernünftigen, leidenschaftslosen Person gemacht - mit einem Wort, vielleicht nicht die ideale Geliebte, aber das genaue Gegenteil von Caroline Lamb. Er erhielt einen Korb und war nicht weiter überrascht, geradezu unschmeichelhaft erleichtert. Bei näherer Überlegung kam er nämlich zu dem Schluß, daß eine Ehe mit der »liebenswürdigen Mathematikerin«, wie er sie Lady Melbourne gegenüber nannte, als bloßes Abschreckungsmittel für Caroline doch etwas zu weit ginge. »Ich beglückwünsche Annabella & mich zu unserer gemeinsamen Flucht.«
    Da er andererseits nicht als Asket leben konnte und Caroline immer öfter von ihrer bevorstehenden Rückkehr schrieb, begann er eine Affäre mit der herbstlichen Schönheit, Lady Oxford. Lady Oxford war über vierzig, aber immer noch eine sehr attraktive Frau. Er bewunderte ihre üppigen Reize und überließ sich gerne ihrer friedlichen Sinnlichkeit, die sie in beiderseitigem Einverständnis nie in Liebe ausarten ließ. Die Nachricht von dieser Verbindung hatte offensichtlich Caroline in Irland zum Schweigen gebracht. Statt dessen, so erfuhr er von Lady Melbourne, sammelte sie alle Porträts von ihm, die sie bekommen konnte - zu welchem Zweck auch immer. Lady Melbourne hielt auch noch eine weitere Nachricht für ihn bereit, diesmal eine echte Überraschung: Annabella Milbanke wollte mit ihm in schriftlicher Verbindung bleiben. Zusammen mit diesem Wunsch schickte sie eine Aufstellung der Eigenschaften, die sie von einem Ehemann forderte. Byron schrieb an Lady Melbourne:
    »Ich schicke Ihnen den Entwurf zu A’s auserwählten Gatten zurück, zu dem ich nichts sagen werde, weil ich ihn nicht verstehe - obwohl ich allerdings vermute, daß es genau das ist, was es sein sollte.
    Sie scheint verzogen worden zu sein - nicht so, wie Kinder es gewöhnlich sind - sondern systematisch Clarissa Harlowiert in eine peinliche Art von Korrektheit - mit einem Vertrauen auf die eigene Unfehlbarkeit, was sie zu einem fürchterlichen Mißgriff führen wird oder führen dürfte - ich meine damit nicht den üblichen Irrtum junger Damen von hohem Stand - sondern sie wird genau das finden, was sie sich wünscht…«
    Nach Annabellas zweitem Brief glaubte er, ihr Ziel entdeckt zu haben: eine Bekehrung des berühmtberüchtigten Dichters. Er war nicht sehr interessiert und überließ sich lieber seiner Affäre mit Lady Oxford. Als Lord Oxford beschloß, mit seiner Familie nach Sizilien zu segeln, schieden Byron und seine Mätresse in aller Freundschaft. Sie hatten, wie Byron sagte, die Regeln des Epikur zur Genüge deklamiert. Warum nur fühlte er sich so leer? Er hatte doch, was er wollte - alles war in äußerster Harmonie verlaufen. Der gegenseitige Sättigungsgrad war erreicht.
    Lady Oxford war nicht Caroline Lamb, die öffentlich seine Bilder und Briefe verbrannt hatte; zu diesem Anlaß hatte sie alle Kinder des irischen Dorfes, in dessen Nähe sie logierte, in Weiß gekleidet und um das Feuer tanzen lassen. Durch Lady Bessborough allerdings hörte er, daß es sich dabei ausnahmslos um Kopien gehandelt hatte - Caroline konnte sich von den Originalen nicht trennen. Bei Lady Oxford bestand keine Gefahr, daß sie an ihn jemals anders als wohlwollend denken würde, so wie er sie immer in dankbarer Erinnerung behalten würde. Warum also dieses Gefühl der Ausgebranntheit, der inneren Erstarrung?
    Seit der mißglückten Romanze mit Mary Chaworth damals hatte er sich nicht mehr wirklich in eine Frau verliebt, und er war überzeugt, daß Carolines Vorwurf der Herzlosigkeit zutraf.
    Sicher, die Affäre mit dem Chorsänger Edlestone damals in Cambridge war für ihn eine sehr ernste Angelegenheit gewesen, und Edlestons früher, durch eine Lungenentzündung bedingter Tod hatte ihn tief getroffen. Aber wenn er ganz ehrlich war, mußte er sich eingestehen, daß diese Tragödie eine Beziehung beendet hatte, der er insgeheim schon überdrüssig gewesen war und die ihn von seiner längst ersehnten Reise in die Mittelmeerländer abgehalten hatte. Er verabscheute sich für diesen Gedanken und fühlte doch dieselbe Leere und Langeweile wie damals.
    Byron trug sich ernsthaft mit dem Gedanken, mit Hobhouse eine zweite große Reise in den Süden zu machen, als ein Brief von seiner Schwester Augusta eintraf. Sie kündigte ihr Kommen nach London für Ende Juni an.
     
    Augusta war, in ihrer Eigenschaft als Hofdame, bereits ein paarmal in London gewesen. Doch da die Prinzessin sich meistens von der modischen

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