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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sicher, Carolines Schrift schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Nach längerem Überlegen sah er durch, was er an Verehrerpost aufbewahrt hatte. Unter den frühesten Briefen befand sich folgendes Billet: Childe Harold,
    Ich habe Ihr Buch gelesen & kann nicht widerstehen, Ihnen mitzuteilen, was ich & all diejenigen, mit denen ich lebe, & deren Meinungen weit würdiger sind als die meine, davon halten - wir halten es für wunderschön. Sie verdienen es, glücklich zu sein, und Sie werden es sein. Verschwenden Sie nicht solche Talente, wie Sie sie besitzen, an Trauer und Bedauern der Vergangenheit, & leben Sie vor allem in Ihrem eigenen Land, das stolz auf Sie sein wird - & das Ihre Aufmerksamkeit braucht.
    Nehmen Sie bitte keine Mühe auf sich, um herauszufinden, wer Ihnen jetzt schreibt - es ist eine, die Ihrer Aufmerksamkeit höchst unwert ist und die Sie nicht kennen…
    Byron war verblüfft, und Unbehagen stieg in ihm auf, als er diesen Brief mit Carolines Schreiben verglich. Es handelte sich wirklich um dieselbe Handschrift. Er erinnerte sich vage daran, noch weitere Briefe in dieser Schrift empfangen zu haben, die von Mal zu Mal leidenschaftlicher und demütiger geworden waren (»Ich wünschte, ich könnte die Geheimnisse in Deiner Brust finden, oder daß die Eitelkeit einer Frau mich dazu bringen würde, Deine Liebe und Dein Vertrauen zu erringen«).
    Wenn Caroline also von Anfang an von Childe Harold fasziniert gewesen war, dann konnte ihr Verhalten bei Lady Holland nur dazu gedient haben, absichtlich seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Carolines weiteres Benehmen bestätigte seine Vermutung. Sie sah ihn fast jeden Tag, schrieb ihm aber dennoch weiter leidenschaftliche Liebesbriefe. Als sie sich zum erstenmal als ein Page verkleidete und ihn in dieser Aufmachung besuchte, war er entzückt. Als sie es immer wieder tat, zu jeder Tages- und Nachtzeit, Treffen mit Hanson und seinem Verleger Murray oder auch mit Freunden wie Hobhouse und Davies unterbrach, zu toben anfing, wenn er ihr nicht seine volle Aufmerksamkeit schenkte, kühlte sich seine Begeisterung merklich ab.
    »Sie lieben mich eben nicht, Byron!«
    »Caro«, sagte er müde (es war drei Uhr nachts, und er hatte die letzten zwei Stunden damit verbracht, sie zu bitten, ihre Besuche vorher anzukündigen), »ich halte Sie für das klügste, angenehmste, absurdeste, liebenswerteste, verwirrendste, gefährlichste, faszinierendste kleine Wesen der Welt - aber Sie hätten vor zweitausend Jahren geboren sein sollen!« Am nächsten Tag schickte sie ihm ein Kuvert mit ihrem Schamhaar und einem Zettel:
     
    Caroline Byron -
    die Liebste nächst Thyrza
    & die treueste - Gott segne Dich
    Liebster - ricordati di Biondetta
    Von Deiner wilden Antilope
     
    Mittlerweile war ihre Affäre zum Stadtgespräch geworden.
    Caroline folgte ihm überall hin, und als sie sich auf einem Maskenball begegneten, schockierte sie die versammelte Gesellschaft damit, daß sie sich vor aller Augen entblößte, um ihm klarzumachen, wer sie sei. Der einzige, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, war Carolines Ehemann William. Byron war ihm ein paarmal begegnet und hatte ihn auf angenehme Weise distanziert zurückhaltend und sympathisch gefunden. William Lamb sah in der Affäre seiner Frau mit dem Helden der Saison nur eine weitere ihrer Extravaganzen. Seine Familie war nicht so tolerant.
    Carolines Mutter, Lady Bessborough, und ihre Schwiegermutter, Lady Melbourne, beschlossen kurzerhand, dem Gerede ein Ende zu setzen und Caroline nach Irland zu verfrachten. Räumliche und zeitliche Distanz würden, so dachten sie, ein übriges tun. Byron wußte zunächst nichts von diesem Plan, und hätte er es gewußt, so hätte er ihm bestimmt keinen Widerstand entgegengesetzt. Er hatte inzwischen genug von Caros Launen, denen sie durch einen Einbruch bei ihm einen neuen Gipfel aufgesetzt hatte.
    Er war eines Abends von einer Sitzung des Whig Clubs zurückgekehrt, hatte sein Zimmer verwüstet und seinen Sekretär aufgebrochen gefunden. In der Mitte des Raumes lag ein aufgeschlagenes Buch, in das mit Carolines Schrift gekritzelt war:
    »Gedenke mein!« Erbost ließ er ihr durch einen Boten sofort ein Billet überbringen:
     
    Gedenke dein, gedenke dein!
    Bis deines Lebens eitler Schaum
    Verbraust, soll Scham dein Erbe sein,
    Dich hetzend wie ein Fiebertraum.
     
    Eine Stunde später meldete sein Diener Fletcher Lady Caroline, die sich ihm zu Füßen warf und in einen von krampfartigem Schluchzen

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