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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Schönheiten überhaupt.
    Man muß nicht unbedingt mit Lord Byron in nähere Beziehung treten«, setzte sie stichelnd hinzu, »um berühmt zu werden.
    Aber was ist - möchtest du mit ihr reden?« Byron war unmißverständlich entsetzt. »Hölle, nein. Als ich ihr das letzte Mal begegnet bin, rammte sie sich ein Messer in die Brust.« Er stand auf und schaute sich suchend um. »Ich schlage vor, wir verschwinden unauffällig und suchen im oberen Stockwerk Zuflucht.«
    Augusta fand ihr Verhalten im Grunde lächerlich. Aber was sie von Caroline Lamb gehört hatte, ließ es dennoch sinnvoll erscheinen. Abgesehen von den Tanzenden drängte sich mittlerweile alles zu Caroline, so daß die Geschwister unauffällig den Ballsaal verlassen konnten.
    Sie schlichen sich in einen Seitentrakt von Glenverbie House und fanden schließlich ein kleines Frisierzimmer. Augusta warf einen Blick in den Spiegel, der über einem zierlichen Tisch angebracht war, und zuckte zusammen. »Das dachte ich mir - durch dieses Gedränge ist meine Frisur ruiniert. Ich sehe aus wie die Windsbraut persönlich.« Sie begann, die Nadeln aus ihrem Haar zu ziehen, und griff nach einer Bürste. Als sie den Arm heben wollte, ließ ein Gedanke sie innehalten.
    Sie wandte sich Byron zu und drückte ihm mit den Worten: »Da dieser ganze Aufwand ja deinetwegen geschehen mußte, kannst du mir eigentlich helfen« die Bürste in die Hand. Er lächelte schwach. »Warum nicht?« Sie stand völlig still, während seine Hände begannen, ihr Haar zu ordnen. Eine Weile hörte man nur ihre Atemzüge. Dann flüsterte er heiser: »Du hast das schönste Haar der Welt, Augusta.« Abrupt drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an. Eine Frage stand zwischen ihnen, die keiner von beiden sich je zu stellen gewagt hatte. Er machte einen Schritt auf sie zu und küßte sie, langsam und fordernd. Wieder suchte er ihren Blick und erkannte, was darin lag. Es hätte Abscheu sein können, Erschrecken oder einfach Verwirrung. Es war Liebe.
     
    Als Byron am nächsten Morgen aufwachte, glaubte er flüchtig, noch den Duft von Augustas Haut zu spüren, ihre Wärme, ihre Nähe. Natürlich hatten sie irgendwann in den großen Ballsaal zurückkehren müssen, schon allein, um sich von den Glenverbies zu verabschieden. Vielleicht war auch Caroline Lamb noch dagewesen, aber wenn, dann hatte er sie nicht bemerkt. Nicht mehr.
    Seltsam, dachte er, sein ganzes Leben lang hatte er nach etwas gesucht, ohne zu wissen, was es war. Augusta. Ihre Hand, ihre Stimme, die Art, wie sie ihm zulächelte - ihr Dasein. Liebste Augusta. Sie weckte in ihm etwas, das noch keine andere Frau wachgerufen hatte - Zärtlichkeit, die über bloße Leidenschaft weit hinausging. In der Stille der Kutsche, auf dem Weg nach Hause, bevor er sie in St. James absetzte, hatten sie nicht gesprochen. Kaum, daß ihre Fingerspitzen sich berührten. Und doch war dieser bloße Hauch einer Berührung für sie genausoviel wie das unwirkliche, phantastische Erlebnis, das ihm vorausgegangen war.
    Eigentlich wollte er alle Verabredungen, die er für diesen Tag getroffen hatte, absagen, das Boxen, das Dinner mit Hobhouse, aber dann kam ein Billet von Augusta. Die Prinzessin war erkrankt, nicht sehr ernst, aber sie verlangte Augustas Anwesenheit. Unterzeichnet hatte Augusta nicht mit ihrem Namen, sondern mit einem Kreuz. Er verstand. Kreuzdame. Liebe. Also hielt er seine Vereinbarungen ein und war den ganzen Tag so zerstreut, daß er sich erst von dem mittelmäßigen Sportler Bill Jackson k. o. schlagen ließ. Jackson war sehr viel überraschter als sein Kontrahent, der das Boxen für Gentlemen erst eingeführt hatte und als erstklassig galt. Anschließend verwechselte er Hobhouse dreimal mit Douglas Kinnaird.
    »Um Himmels willen, Byron, was ist denn mit dir los?« fragte Hobhouse, und sein langes Pferdegesicht nahm einen irritierten Ausdruck an. »Ich verstehe ja, daß dir dieser Fasan nicht besonders schmeckt, aber mußt du ihn deswegen ständig mit Pfeffer bestreuen?« Byron errötete etwas. »Tut mir leid, Hobby.
    Das muß das englische Klima sein - ich glaube fast, wir sollten noch einmal die Türken heimsuchen.«
    »Hm«, sagte Hobhouse nachdenklich und betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. Byron hatte einen Ausdruck in den Augen, den er an ihm noch nicht kannte. »Dir geht wohl die Inspiration aus? Oder bist du immer noch auf der Flucht vor diesem verrückten Weibsbild?«
    »Vor wem?«
    »Himmelherrgott, Byron!«
    Byron lenkte ein, riß

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