Wahnsinn
mehr ganz so wohl zu fühlen. Zu Recht.
»Sie sind doch ein alter Freund von Mr. Danse. Oder?«
»Ja, klar. Ich kenne Arthur schon lange.«
»Sind Sie so gut befreundet, dass Sie für ihn lügen würden?«
»Ob ich … zum Teufel, nein, ich lüge für niemanden.«
Milford plusterte sich voller Entrüstung auf. Sansom nickte bloß.
»Das ist gut, Mr. Milford. Denn wie Ihnen sicher bewusst ist, kann eine Lüge vor Gericht zu einer Anklageerhebung wegen Meineids führen. Und Ihnen ist sicher auch bewusst, dass ich jeder Zeit andere Zeugen, die an dem Abend in der Bar waren, aufrufen und sie fragen kann, was sie gehört haben. Ich muss mir daher in einer Sache absolute Gewissheit verschaffen. Ich muss absolut sicher sein, dass Sie gehört haben, wie Mrs. Danse das Wort ›umbringen‹ sagte. Bevor ich irgendjemand anderes frage, ob es sich nicht vielleicht doch um ein anderes Wort gehandelt hat. Also, welches Wort hat sie benutzt? War es ›umbringen‹?«
Sein Bluff ging offenbar auf. Der kleine Mann wirkte beunruhigt.
»Ich habe gehört …«, begann er. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie so was sagen hörte.«
Er versuchte sich nach allen Seiten hin abzusichern. Aber Sansom ließ ihm das nicht durchgehen.
»Ziemlich sicher?«
»Ja.«
»Aber nicht völlig sicher?«
»Hören Sie, sie hat eine Menge Sachen gesagt.«
»Wer saß an dem Abend am Tresen neben Ihnen, Mr. Milford? Ich hätte gerne einen Namen, bitte.«
»Ich kannte den Mann nicht. Tut mir leid.«
»Wie steht es dann mit jemandem, der in Ihrer Nähe saß? Vielleicht ein paar Hocker weiter.«
»Keine Ahnung.«
»Sie kannten also an dem Abend keinen der anderen Gäste? Keine Menschenseele? Was ist mit Jake Whalen, dem Mann hinterm Tresen? Ihn kannten Sie doch, oder?«
»Klar, aber … ja, Jake war da. Vielleicht hat er’s gehört, vielleicht nicht. Aber die anderen Gäste – hey, ich habe nicht auf die geachtet. Ich war da, um einen zu trinken, sonst nichts.«
Sansom sah ihn angewidert an.
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren«, sagte er dann.
In dieser Nacht überfiel sie eisige, grundlose Furcht.
Immer wieder hörte sie Woods und Richter Burkes Worte.
Könnten Sie sich der Entscheidung dieses Gerichts fügen, wenn diese Entscheidung darauf hinausliefe, dass die Umgangsregelung zu den bei Ihrer Scheidung festgelegten Bedingungen beibehalten würde?
Das hieß: weiteres Umgangsrecht.
Das hieß: Robert würde weiter vergewaltigt werden.
Und sie würde nichts dagegen unternehmen können.
Alles ist möglich.
Sie versuchte, bei einem Glas Weißwein Musik zu hören und sich zu entspannen, doch die Musik berührte ihr Herz und machte sie schwach und nachgiebig. Doch sie musste jetzt stark sein und durfte sich nicht Selbstmitleid oder Mitgefühl mit Sansom, seiner Frau oder gar Robert hingeben, weil Mitgefühl ihre Probleme nicht lösen würde. Nur ein Sieg würde ihre Probleme lösen.
Alles andere war undenkbar.
Der Wein half ein wenig. Sie goss sich noch ein Glas ein und ging damit zu Bett. Sie lag im Halbdunkeln, trank Schluck für Schluck und starrte aus dem Schlafzimmerfenster ins Mondlicht hinaus. Die Bettwäsche schmiegte sich angenehm kühl um ihre Beine.
War es möglich?
Waren sie wahrhaftig in der Lage, so etwas zu tun?
Sie war nicht überrascht, als das Telefon klingelte. Es kam ihr vor, als sei das Klingeln allein schon ein Teil der Lösung ihres Problems.
»Hallo?«
»Das ist heute ja wohl nicht so besonders für dich gelaufen, Lyd. Was meinst du?«
»Du hast mir gerade noch gefehlt, Arthur. Was soll ich jetzt machen? Meine Telefonnummer ändern?«
»Keine Sorge. Ich werde dich nicht ständig anrufen. Ich war bloß neugierig. Und, was meinst du?«
»Es spielt keine Rolle, was ich meine.«
»Aber sicher. Für mich schon.«
»Ich wüsste nicht, weshalb.«
»Weil du womöglich eine Dummheit begehst, wenn du glaubst, das es heute schlecht gelaufen ist. Deshalb.«
»Zum Beispiel?«
»Du könntest zum Beispiel versuchen, Robert ins Auto zu setzen, um mit ihm abzuhauen. Das wäre nicht sehr schlau.«
»Meinst du?«
»Ja, und weißt du auch, warum? Weil du dann arbeiten gehen müsstest, Liddy. Du bist Krankenschwester – und Krankenschwestern müssen sich registrieren lassen. Also finde ich dich, egal wo du hinfährst, egal in welchen Staat oder wie weit weg. Ist dir das klar? Ich könnte dich wahrscheinlich sogar in den Knast bringen. Klingt nicht gerade förderlich für deine psychische Stabilität,
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