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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Sie gruben bei eisigen Winden und kaltem Regen, mit gefühllosen schwarzen Händen, die kalte Haut riss ein, dass man geblutet hatte, merkte man erst, wenn man den Dreck abwusch. In diesem Jahr und in den beiden Jahren darauf, wenn es allmählich Frühling wurde, an Samstagen und Sonntagen, acht Stunden täglich, schufen sie den Wald. Sie pflanzten die Eichensetzlinge und die gekauften Eukalyptussetzlinge durch Quadrate aus altem Teppich, schützten sie mit Plastik zur Isolierung von Hauswänden, das sie von Fünfzig-Meter-Rollen schnitten. Bob bekam das Zeug von irgendwoher, vielleicht waren sie von der Ladefläche irgendeines anderen Lastwagens gefallen, so wie auch die Plastiktöpfe.

    In dem kalten Frühling, als die Arbeit fertig war, als Bob sagte, nun sei sie fertig, wurde Villani sechzehn, war kaum noch kleiner als sein Vater.
    Jetzt betrachtete er diese früher zerfurchte und bucklige, zuerst mit kleinen silbrigen Zelten, dann mit Puscheln wie nach einer Haartransplantation bedeckte Landschaft und sagte sich im Stillen: »Sieht toll aus.« Der Anblick erfüllte ihn mit Zufriedenheit, ja mit Freude.
    Er ging um den Damm herum, der Hund kam mit schlammigen Pfoten nach oben, und sie betraten den Schatten auf einem Weg, früher so breit wie eine Straße, jetzt aber schmal wie ein Pfad. Seit der Zeit, als die Bäume Kopfhöhe erreichten, hörte Villani bei jedem Gang durch den Wald neue Vogelstimmen, sah, wie sich neues Unterholz ausbreitete, wie neue Pflanzen wuchsen, sah neue Exkremente unterschiedlicher Größe und Form, neue Grab-, Kratz- und Scharrspuren, neue Löcher, ausgefallene Federn, sowohl graubraune als auch Federn, die saphirfarben, scharlachrot, blau oder smaragdgrün leuchteten, und bald fand er Knöchelchen und Schädel mit spitzen Zähnen, Zeichen von Leben und Tod, vom Kampf unter den Säugetieren des Waldes.
    »Da sind jetzt haufenweise kleine Viecher drin«, sagte Bob eines Tages. »Ameisenigel, Nasenbeutler. Weiß Gott, wo die hergekommen sind.«
    Der Spaziergang dauerte fast eine Stunde. Als sie wieder am Haus waren, sagte Villani: »Wegen des Unterholzes hätten wir schon längst was machen sollen. Tja, ich muss los. Morgen ist ein langer Tag.«
    Bob hob eine Hand. »Er wird jeden Moment hier sein, bleib noch.«
    »Ich seh Luke ein andermal.«
    »Gib ihm eine Chance. Euch beide hab ich nicht oft hier.« Er stand auf. »Komm. Ich hab zwei neue Pferde.«
    Sie gingen am Zaun der Pferdekoppel entlang. Der zehnjährige
Cromwell hatte gespürt, dass sie kamen, und stand neben dem Trog, den struppigen Kopf über den Zaun gereckt.
    »Ruhst dich ein wenig aus, Crommie«, sagte Bob. Er fütterte das Pferd mit irgendetwas, streichelte seine Nase.
    »Was war der letzte Zahltag?«, fragte Villani.
    »Drittes Rennen in Benalla, das ist … eine Weile her. Aber er hat noch das eine oder andere Rennen in sich.«
    »Schlag ihnen doch mal vor, ein Rennen für Zehnjährige zu veranstalten«, sagte Villani. »Nicht mehr als vier Siege außerhalb der Metropolen. Gleiche Chancen für alle.«
    Sie betraten den Stall, ein langer Bau, die Türen an beiden Enden offen, rissiger und löchriger Betonfußboden, zwölf Boxen. Es roch nach Dung, Urin und Stroh. Aus den angrenzenden Boxen links musterten sie zwei Köpfe.
    Sie blieben beim ersten stehen, ein großes, rostfarbenes Tier. »Das ist Sunny«, sagte Bob. »Eigentlich Red Sundown, sechs Jahre alt. Hab ihn Billy Clarke aus Trenneries abgekauft, dreihundert Dollar, er hat was am Bein. Hatte nur die sechs Rennen, aber er stammt von St. Marcus ab.«
    »Wenn er gar nicht laufen kann, könnte er genauso gut von St. Peter abstammen«, sagte Villani.
    »Ich krieg ihn wieder hin«, sagte sein Vater. »Mit dem Lawang. «
    »Dem was?«
    »Öl. Von einem indonesischen Baum. Kostet ’n halbes Vermögen. « Er fütterte das Pferd mit etwas aus seiner gewölbten Hand.
    »Was ist aus den Magneten geworden? Beim letzten Mal waren es Wundermagneten.«
    »Lawang ist besser als Magneten.« Bob ging weiter zum nächsten Pferd. »Mein Baby. Tripoli Girl.«
    Das rabenschwarze Tier war scheu, ruckte mit dem Kopf, musterte sie aus aufgerissenen Augen, wich zurück, stampfte auf den Boden. Bob zeigte ihm seine Handfläche, schloss die
Hand, öffnete sie wieder, nahm sie weg, drehte dem Pferd den Rücken zu.
    »Cairo Night aus Hathaway«, sagte er. »Cairo hat zwei Rennen gewonnen, beim ersten Sieg mit zehn Längen Vorsprung. Dann hat er geblutet, geplatzte Gefäße, und als er es wieder

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