Wahrheit (Krimipreis 2012)

Kellergeschossen zu haben. Technische Fehlfunktion.«
    »Das ist doch Blödsinn. Schon mal passiert?«
    »Das ist unklar«, sagte Dove. »Die Firma, die das elektronische Sicherheitssystem für das Gebäude betreibt. Stilicho. Sie bieten Hightech der neusten Generation an, da rechnet man mit Macken. Sie haben das komplette Kasino-Securitysystem zum ersten Mal laufen lassen, und das hat irgendwie andere Teile zerdeppert. Der Firmenchef macht die Techniker verantwortlich, sie sind untröstlich.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weber. Er hat mit Leuten geredet.«
    Villani betrachtete den Berg. »Echt?«, sagte er. »Eine ausgesprochen altmodische Methode.«
    »Er kommt vom Land«, sagte Dove. »Laut Manton ist Prosilio für Stilichos technische Versagen nicht verantwortlich. Er sagt, Sie sollten mit Hugh Hendry reden, dem Chef von Stilicho.«
    »Ist das Max Hendrys Sohn?«
    »Keine Ahnung, Chef.«
    »Finden Sie’s raus. Und was noch?«
    »Die Namen durch den Computer schicken. Falls nicht irgendjemand auffällt, weil er Frauen umbringt, auch nur eine Frau, dauert das ’ne Weile.«
    »Es dauert, so lange es dauert«, sagte Villani. »Machen Sie’s richtig und schlafen Sie gut.«
    O Gott, noch so ein Spruch von Singo. Er unterbrach die Verbindung, ehe Dove irgendeine freche Bemerkung raushauen konnte, und ging zu den anderen zurück.
    »Ich hab das Fleisch«, sagte Bob Villani zu Luke. »Und Crownies.«
    »Ich kann nicht, Dad«, sagte Luke. »Der Nachwuchsmann hat abgesagt, irgendeine miese Ausrede. Ich kann nicht ablehnen,
steht in meinem Vertrag. Ich find’s echt zum Kotzen, hab mich drauf gefreut, mal wieder über Ponys zu quatschen.«
    Luke erhob sich, und alle standen auf. Luke legte einen Arm um die Schultern seines Vaters, ging mit ihm los. Villani fiel plötzlich auf, dass er Bob überhaupt nicht mehr ähnlich sah. Am Wagen, die junge Frau saß schon drin, holte Luke ein Portemonnaie hervor, zählte ein paar Fünfzig-Dollar-Scheine ab.
    »Donnerstag«, sagte er. »Benalla. Stand in the Day im dritten. Die Kleine ist hart im Nehmen.«
    Er steckte die Scheine in Bobs Hemdtasche.
    »Vierhundert«, sagte er. »Ich klingele gegen zehn durch, falls es was wird, dann fährst du mit Gordie rasch zu Stanny rüber. Wahrscheinlich hundert auf Sieg und hundert auf Platz, den Rest setzen wir auf Einlauf nach Boxsystem. Dreißig Prozent Kommission, wie hört sich das an?«
    »Vernünftig«, sagte Bob. »Stand in the Day. Guter Name.«
    »Nur meine Knete, Dad, okay?«, sagte Luke. »Ohne Garantie, sie könnte dem Feld auch hinterherrennen.«
    Er wandte sich an Villani. »Willst du auch einsteigen?«
    »Nein, danke.«
    »Ach ja, hatte vergessen, dass du es drangegeben hast.« Er hielt Villani die erhobene Hand hin. Villani klatschte nicht ab, hielt nichts von High-Five.
    »Wir sehen uns, Alter, stimmt’s?«, sagte Luke. »Ich ruf dich bald an.«
    »Gut.«
    Luke schlang die Arme um Bob. »Wenn dieses Feuer ernst wird, Mann, dann musst du hier raus, klar? Ich komme persönlich hoch und schleif dich raus.«
    »Ich komme zurecht«, sagte Bob. »Gordie kümmert sich um mich.«
    »Tu das, Gordie«, sagte Luke. »Ich mach dich für diesen Mistkerl verantwortlich.«

    »Tu das, Lukie«, sagte Gordie.
    Luke umarmte ihn.
    Sie sahen zu, wie der Wagen wendete, anfuhr, wie die breiten Reifen Steine hochspritzen ließen. Luke raste die Auffahrt hinunter.
    »Jetzt muss ich los«, sagte Villani.
    Sein Vater sah zu Boden, rieb sich die Bartstoppeln. »Du könntest noch bleiben, mit uns grillen«, sagte er. »Ich weck dich bei Tagesanbruch.«
    Es lag Villani auf den Lippen abzulehnen, er hatte Ausreden zur Hand. Doch als sein Vater ihn mit diesen steingrauen Augen ansah, brachte er es nicht über sich. »Warum nicht?«, sagte er. »Das Fleisch, das Bier.«
    »Wirf den Scheißgrill an, Gordie.«
    »Offenes Feuer ist streng verboten«, sagte Villani.
    »Für Volldeppen«, sagte Bob.
    Der Tag verabschiedete sich langsam, mit einem fiebrigen westlichen Himmel. Villani aß zu viel Steak, rauchte Gordies Zigaretten, schlief in seinem alten Zimmer. Irgendwann nach Mitternacht wurde er wach, merkte, dass das Unwetter im Anmarsch war, die Ruhe vor dem Sturm, dann die erste heftige Luftbewegung und der Donnerschlag, der Himmel und Erde erzittern ließ, ein Wind packte das Haus, ließ die Balken knarren, das Blechdach quietschen, Regentropfen prasselten wie Schrotkugeln, zwei oder drei Minuten lang schwerer Beschuss, dann war Ende, ein nachlassender