Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
Wohnzimmer, in dem nie die komplette Familie zusammenkam, ein Anbau im Wert von hundertfünfzigtausend Dollar, die Hälfte des Kaufpreises für das ganze Haus, Laurie hatte das Geld beschafft.
    Corin schlief auf dem Sofa. Er machte den Fernseher aus, sagte ihren Namen, zweimal, ein drittes Mal, sie schreckte auf, missmutig, verquollene Augen, stand auf und ging ohne ein freundliches Wort.
    Er ging den Flur entlang, setzte sich aufs Bett, zog Schuhe und Schlips aus, knöpfte sein Hemd auf, duschfertig, legte sich hin, nur für ein Minütchen, schloss die Augen.
    Es war nicht wie im Fernsehen. Er hatte den Job seit zwei oder drei Monaten, als eines Nachts ein Mann zusammengetreten wurde, er war bewusstlos, man versetzte ihn in ein künstliches Koma, zwei Tage später schaltete man die Geräte ab. Der Premier sagte im Fernsehen, das sei ein Symptom für alles, was in der Gesellschaft im Argen liege, die ganze Polizei, einschließlich der Verkehrspolizei, arbeite Tag und Nacht an dem Fall, man rechne stündlich mit Ergebnissen. In Wahrheit
hatten sie gar nichts. Sie sahen sich Überwachungsvideos von sämtlichen funktionierenden Kameras in der Gegend an. Das brachte nichts als einen kurzen Blick auf vier Gestalten, graue Schatten, einen Block entfernt, die Uhrzeit passte. Wenn sich kein Verräter fände, kämen sie nicht weiter, und deshalb gab die Presseabteilung einen Haufen Blödsinn über positive Identifizierung heraus, in der Hoffnung, dass einer der Schläger aus der Gruppe, der den Mann vielleicht nur fünf- oder sechsmal getreten hatte, die anderen, schlimmeren Treter verpfeifen würde.
    Niemand meldete sich. Sie sprachen, sich abwechselnd, mit der Familie des Opfers, reiche Leute in Toorak, er wusste gar nichts über sie, nur dass es reiche Leute waren. Er sprach mit der Mutter und dem Vater, die ihm immer freundlich dankten, doch er wusste, dass er sie nur an ihren Verlust erinnerte.
    Eines Abends im August, nach einem verregneten Spätnachmittag wehte ein eisiger Wind von der Bucht herüber, fuhren Villani und Burgess nach Footscray, ein trauriger Ehestreit, Frau erstochen, der blutbespritzte Ehemann saß in einer Zelle der dortigen Polizeiwache, man hatte ihn in der Milchbar festgenommen, als er Zigaretten kaufte. Villani versuchte, mit dem Mann zu reden, der zusammenhangloses Zeug brabbelte, betrunken war, auf Drogen, gut möglich, dass das sein normaler Zustand war. Nach einer Weile ging Villani zum Rauchen nach draußen, lehnte in der Kälte an der Mauer, ein schmutziger betonierter Hof, der Himmel inzwischen wolkenleer, er konnte das Kreuz des Südens sehen, der Wind fachte die glimmende Zigarette an, die weißlich verglühte.
    Ein Polizeitransporter fuhr vor, aus dem man zwei Jugendliche holte, schwarze Jogginganzüge, Wollmützen, ungebrochen in ihrer Leck-mich-Haltung, ein Zeichen dafür, dass man sie mit dem Respekt behandelt hatte, der Bürgern zukam, selbst jenen, die gesetzloser Abschaum waren.
    »Was war?«, fragte Villani den Kommissar.

    Der Mann kannte ihn noch aus dem Raubdezernat, die meisten Cops in der Gegend kannten ihn, man hatte ihn in Begleitung von Legenden gesehen, so was übertrug sich auf einen.
    »Sie haben einen schwarzen Jungen geschlagen, ihn getreten, Chef«, sagte der Mann. »Als wir um die Ecke biegen, laufen diese hochintelligenten Ärsche direkt in eine Sackgasse.«
    Villani schnipste seine Kippe weg, blickte der Gruppe nach, die die Treppe hoch ins Revier ging, und da sah er, zwischen den Beinen des hinteren Cops hindurch, dass der zweite Jugendliche Blunnies-Stiefel trug.
    Er folgte ihnen. Drinnen sagte er zu dem Kommissar: »Geben Sie uns ein Weilchen mit diesen Blödmännern. Für den Anfang.«
    Der Mann sah ihn an, ein Augenblick des Zweifels, der Unsicherheit.
    »Na klar, Chef. Aber erst der Papierkram, dass wir sie unversehrt übergeben haben und so, okay?«
    Sie erledigten den Papierkram, sperrten die Jungs ein, es dauerte, es war spät, als Villani die Zelle des Kleineren betrat, Jude Luck hieß er. Der Leck-mich-Knabe war jetzt allein, hatte keine Mütze, keine Schuhe, keinen Jogginganzug, er hatte ein paar Gangtattoos, man sah viel Weiß in seinen Augen, aber kein gutes Milchweiß.
    Villani fing ganz normal an, er sagte lächelnd: »Hallo, Jude, ich bin der Pastor von St. Barnabas«, dann trat er Lucks Füße weg, sodass er seitlich umkippte, und fing ihn auf, ehe Luck auf den Beton knallte, aber nicht liebevoll, bettete ihn zur Ruhe, stellte ihm einen Schuh auf

Weitere Kostenlose Bücher