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Wahrheit (Krimipreis 2012)

Titel: Wahrheit (Krimipreis 2012) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Haben Sie nicht gerade im Namen der Polizei gesprochen? Für wen genau sprechen Sie denn, Geoff?

C olby stand am Fenster, ging zu seinem Platz zurück, um den Schreibtisch herum. Er bewegte sich wie ein junger Mann, benahm sich auch wie einer, wohnte in einem Hochhaus in den Docklands mit seiner neuen Frau, einer Immobilienmaklerin, jung, blond und schwanger, wie es hieß.
    »Die Kacke ist mächtig am Dampfen«, sagte er. »Haben Sie diesen Scheiß-Keogh gehört?«
    »Ja.«
    »So etwas möchte die Führung in Wahlzeiten nicht hören.«
    »Welche Führung?«
    »Die gesamte Führung. Ich dachte, ich hätte letzte Nacht die Richtung signalisiert. Und zwar jemandem, der mich ein wenig kennt. Hinsetzen.«
    Villani sagte: »Ich höre mir Ratschläge an und vertraue meinem Urteilsvermögen.«
    »Würden Sie sagen«, sagte Colby, »bei so einem Scheiß wäre es vernünftig, die SOGgies anzufordern, die entfernen die Rückwand und führen gleichzeitig ihren Seiltrick vor, wie heißt er noch?«
    »Abseilen.«
    »Ja, diesen Quatsch. Wenn die sie schnappen – hervorragend, die Täter des Oakleigh-Massakers im Gewahrsam. Wenn die sie töten, egal, ob’s die Richtigen oder die Falschen waren, dann ist es deren Schuld, und Sie können es den schießwütigen Fitnessfreaks anlasten.«
    »Im Lauf der Jahre«, sagte Villani, »habe ich den Eindruck
gewonnen, dass das Morddezernat den Auftrag hat, Leute zu erwischen, die andere Leute umgebracht haben. Und sie vor Gericht zu stellen.«
    Colby legte die Hände hinter dem Nacken, rollte den Kopf auf dem dicken Rumpf, die Augen zur Decke gerichtet. »Stimmt, tja, das eine ist die heilige Aufgabe des Morddezernats, das andere ist Ihre Laufbahn«, sagte er. »Anruf Mr. Barry, heute Morgen, sechs Uhr fünfundvierzig, ich bin gerade von meinem Zwanzig-Kilometer-Lauf zurück, Sie verstehen. Fühle mich putzmunter. Er sagt, Gillam habe ihn angerufen und seiner Zufriedenheit mit der Arbeit des Morddezernats Ausdruck verliehen. Und raten Sie, wer den verdammten Gillam angerufen hat?«
    »Wer?«
    »Damit das klar ist«, sagte Colby, »Sie haben wirklich gedacht, wir sitzen einfach da und warten, dann öffnet sich die ganze Chose wie eine Blume?«
    Villani sagte: »Sie wissen, was ich denke, Chef. Die sollten sich den Kopf darüber zerbrechen, wer Kidd und seinen Kumpel aufgegeben hat. Darüber sollten sie sich Sorgen machen. «
    »Ich mache mir wegen Ihnen Sorgen«, sagte Colby. »Sie lassen sich von diesem Hightech-Müll blenden, diesem Crucible-Mist. Zehn Millionen Stunden abgehörte beschissene Telefonate, man kann dasitzen und sich aufregende Videoaufzeichnungen von Arschlöchern in Autos ansehen, die sich an den Eiern kratzen, das ist alles unwichtig, wenn dabei nichts weiter rumkommt als ein halber Liter warme Pisse.«
    Villani fiel dazu nichts ein, weil Colby nicht ganz unrecht hatte. Die neue Welt der Observierung war verlockend, man sah die Stadt von hoch oben, zoomte sich in Gassen und Hinterhöfe, beobachtete Verfolgungsjagden, während sie gerade stattfanden.
    »Und am Ende«, fuhr Colby fort, »sagen wir, scheiß auf den
Hightech-Kram, springen über Mauern und rennen hinter einem staatlich anerkannten Ex-SOG-Psycho her, der ganz gern auch mal auf Cops schießt. Doof wie Brot oder was?«
    Sie starrten einander an.
    Villani sagte: »Tut mir leid. Ich hab mich an ein paar echt miesen Vorbildern orientiert. Bescheuerte Volltrottel, die auf fahrende Autos springen.«
    Colbys Telefon surrte. Er pflichtete dem Anrufer fünf-oder sechsmal bei, ehrerbietig, böser Blick, Augen immer auf Villani gerichtet, Glasmurmeln waren leichter zu lesen. Er verabschiedete sich, legte den Hörer auf.
    »Man vertritt die Ansicht, Sie sollten sich wegen Oakleigh, Metallic, eine Weile im Hintergrund halten«, sagte er.
    »Wessen Ansicht ist das?«
    »Nehmen Sie es einfach hin.«
    »Hab ich mir irgendwas zuschulden kommen lassen? Scheiß drauf.«
    Colby zog an seinem Ohr, eine getrocknete Aprikose. »Nachdenken, mein Junge. Strategisch denken. Wir befinden uns in einer kritischen Phase. Die Leute, die das Sagen haben, sind sterbende Fische, Orongs Augen werden schon stumpf. Aber sie hoffen noch, sind immer noch paranoid, was schlechte Nachrichten betrifft. Andererseits hat Ms. Rottweiler Mellish ihre ganze Meute von der Leine gelassen, damit sie nach belastendem Mist schnüffeln.«
    Er schaute Villani an. »Sie beispielsweise sind belastender Mist.«
    »Belastet«, sagte Villani.
    »Stimmt. Beides. Zweitens,

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