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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Niman. Das bedeutet Heimkehr-Tanz. Es ist der letzte Tanz, ehe alle Katsinam in die Geisterwelt zurückkehren.«
    »Ich meine, das eben mit Wilma. Ich hätte wohl besser doch nicht mitkommen sollen.«
    »Sie ist nicht sauer, weil du da bist«, sagt Ruthann. »Es geht um die Eule. Niemand hört gern, wenn sie schreit. Das bringt Unglück.« Wir sind einem schmalen Pfad gefolgt, der vom Dorfplatz wegführt, und stehen jetzt vor einem kleinen Haus aus Zementstein. Aus dem Schornstein leckt eine dünne Rauchfahne. Ruthann schirmt die Augen ab und blickt nach oben. »Da hab ich gewohnt, als ich verheiratet war.«
    Ich muß an meine eigene Hochzeit denken, die wegen der Sache mit meinem Vater nicht stattfinden konnte. »Ich bin gespannt, ob Eric und ich es je schaffen.«
    »Die Vorbereitungen für eine Hopi-Hochzeit dauern Jahre. Man bringt die kirchliche oder standesamtliche Trauung hinter sich, damit das schon mal erledigt ist, und sucht sich ein Haus zum Wohnen, aber es dauert Jahre, bis die Onkel des Bräutigams die tuvola
    gewebt haben, die zwei Brautgewänder. Wilma hatte Derek schon, als der Tag ihrer Hopi-Hochzeit endlich kam. Er war drei Jahre alt und ist bei der Zeremonie neben seiner Mutter hergegangen.«
    »Und wie läuft die Hochzeit ab?«
    »Sie bedeutet erst einmal sehr viel Arbeit. Man muß der Familie des Bräutigams etwas für die Gewänder bezahlen, indem man ihnen Körbe flicht und Essen kocht.« Ruthann grinst. »Vier Tage vor meiner Hochzeit bin ich zu meiner Schwiegermutter gezogen. Ich habe gefastet, aber ich mußte für sie und ihre Familie kochen - das ist ein Test, um zu sehen, ob du als Fr au für ihren Sohn taugst, obwohl ich schon drei Jahre gesetzlich mit ihm verheiratet war. Es gibt auch den Brauch, daß die Schwestern des Vaters des Bräutigams und die Schwestern der Mutter des Bräutigams sich gegenseitig mit Schmutz bewerfen und dabei über das Brautpaar jammern, aber das ist nur ein Scherz wie diese verrückten Junggesellenpartys bei den pahanas. Und dann, als der große Tag kam, habe ich eins von den weißen Gewändern angezogen, die Eldins Onkel für mich gemacht hatten. Es war wunderschön - mit länglichen Quasten, eine kleiner als die andere, wie Miniaturausgaben der Gehstöcke, die ich benutzen würde, wenn ich älter bin und mich der Erde immer mehr nähere, bis ich sie mit der Stirn berühre.«
    »Wozu ist das zweite Gewand da?«
    »Das trägst du an dem Tag, an dem du stirbst. Du trittst an den Rand des Grand Canyon, breitest das Gewand aus, steigst hinein und schwebst als Wolke zum Himmel.« Ruthann blickt auf ihre linke Hand, an der sie noch immer einen goldenen Ring trägt. »Ihr pahanas probt doch vorher den Ablauf der Hochzeit in der Kirche ... für uns ist der Hochzeitstag die Probe für den Rest unseres Lebens.«
    »Wann ist Eidin gestorben?« frage ich.
    »Mitten in einer Dürreperiode, 1989.« Ruthann schüttelt den Kopf. »Ich glaube, die Geister haben ihn absichtlich ausgesucht, jemanden, der überlebensgroß war, weil sie wußten, daß er imstande war, uns Regen zu bringen. An dem Abend, als er zurückkam, stand ich genau vor diesem Haus«, sagt sie. »Ich habe den Kopf in den Nacken gelegt, und ich habe den Mund geöffnet, und ich habe versucht, soviel von ihm zu trinken, wie ich konnte.«
    Ich blicke auf den Rauch, der sich aus dem Schornstein des Hauses kringelt. »Weißt du, wer jetzt da wohnt?« frage ich.
    »Wir nicht«, sagt sie, dreht sich um und geht langsam den Weg hoch.
    Greta und ich sitzen am Rand der Second Mesa, als die Sonne untergeht. Liebe Mami, schreibe ich auf die Rückseite einer Einkaufstüte.
    Weißt du, daß in der Grundschule der Muttertag gefeiert wird? Und weil ich allen immer leid tat, mußte ich nie irgendwas malen oder basteln.
    Weißt du, daß ich, als ich mir meinen ersten BH gekauft habe, in der Damenwäscheabteilung so lange gewartet habe, bis ich eine Frau mit einem jungen Mädchen hereinkommen sah und ich sie fragen konnte, ob sie mir hilft?
    Weißt du, daß ich mit zehn katholisch werden wollte, damit ich eine Kerze anzünden konnte, die du vom Himmel aus sehen würdest ?
    Weißt du, daß ich mir gewünscht habe, ich würde sterben, damit wir Zusammensein könnten ?
    Ich blicke auf, schaue hinaus auf die Landschaft in der Ferne. Für jemanden, der sich an vieles nicht erinnern kann, gibt's eine ganze Menge, das ich nicht vergessen kann.
    Ich weiß, es tut dir leid, schreibe ich. Ich weiß bloß nicht, ob das genügt.
    Als ich den

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