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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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über alles mögliche plauderte, zum Beispiel welche Wörter Aufnahme im Web-ster's Dictionary fanden oder warum auch ein Blauer Hummer im Kochtopf rot wird. Ich nickte immer an der richtigen Stelle, aber wirklich zugehört habe ich nicht. Mich interessierten mehr die Zettel, die Eric durch die Lüftungsschlitze meines Spinds schob, und wie es sich anfühlte, wenn seine Finger unter mein T-Shirt glitten und an meiner Wirbelsäule hochfuhren. Und doch stelle ich fest, daß ich mich fast an alles erinnern kann, was Fitz gesagt hat. Ich habe aufgepaßt, obwohl ich mir das Gegenteil eingeredet habe. Seine Stimme war nicht unbedingt die Melodie meines Lebens, aber sie war die Baßlinie, so dezent, daß man sie erst bemerkt, wenn sie fehlt.
    Ich parke vor dem Trailer und gehe ganz leise hinein. Es ist kurz vor sechs Uhr morgens. Eric und Sophie schlafen bestimmt noch. Ich öffne den Schrank über der Spüle, nehme den Kaffee heraus und setze eine Kanne auf, als ich plötzlich Hände auf den Schultern und einen Kuß am Hals spüre.
    Ein Kuß.
    »Du bist früh auf«, sagt Eric.
    Kr hat sich in Schale geworfen, dunkelgrauer Anzug und rote Krawatte, und sieht mit seinem dunklen Haar und den hellen Augen so umwerfend aus, daß es mir den Atem verschlägt. »Ich ... hab schlecht geschlafen«, sage ich. »Ich war ein bißchen draußen.« Ist es eine Lüge, wenn ich ihm nicht erzähle, daß ich die ganze Nacht fort war, und er nicht fragt?
    Er setzt sich an den Tisch, und ich bringe ihm ein Glas Orangensaft. Doch statt einen Schluck zu nehmen, fährt er mit dem Finger über den Rand des Glases. »Delia«, sagt er. »Ich werde heute tun, was ich kann.«
    »Das weiß ich.«
    »Aber ich wollte dir noch sagen, daß es mir leid tut.«
    Durch meinen Kopf wirbeln Sätze, die ich gestern nacht in Fitz' Manuskript gelesen habe. »Was tut dir leid?«
    In Erics Blick liegt unendlich viel Ungesagtes. Doch dann hebt er das Glas, und all das Ungesagte versinkt im Nebel. »Nur für alle Fälle«, sagt er.
    Eric weiß, daß die Welt selten so ist, wie sie sein sollte. Und er weiß auch, daß wir nicht unbedingt darauf warten müssen, bis ein anderer unser Leben in ein Chaos verwandelt. Das kriegen wir gut allein hin.
    Sophie kommt aus dem Schlafzimmer getappt, schleift eines ihrer Plüschtiere am Arm hinter sich her. »Ihr habt mich wach gemacht«, sagt sie vorwurfsvoll, aber sie klettert auf Erics Schoß, vertraut einem der beiden Menschen, denen sie eben noch böse war. Sie reibt sich mit dem Schlafanzugärmel über die Nase und schmiegt sich im Halbschlaf an Erics Schulter.
    Wir verwandeln unser Leben in ein Chaos, aber hin und wieder gelingt uns auch etwas, das absolut richtig ist.
    Die Schwierigkeit liegt darin, das eine vom anderen zu unterscheiden.
    Im Gerichtsgebäude gibt es eine Kinderbetreuung, mit einem Spielzimmer, in dem Sophie durch Tunnel krie-chen und malen und basteln kann, während ihrem Großvater oben wegen Entführung der Prozeß gemacht wird. Ich gebe Sophie dort ab, verspreche, bald wieder zurück zu sein, und mache mich dann auf den Weg zum Gerichtssaal.
    Am Eingang lauern Reporter, die mich mit Fragen bombardieren: Delia, haben Sie sich mit Ihrer Mutter versöhnt? Hatten Sie die ganze Zeit Kontakt zu Ihrem Vater? Ich dränge mich an ihren Mikrofonen vorbei in den Gerichtssaal. Eric und Chris Hamilton, der ihm assistiert, stehen am Tisch der Verteidigung und gehen irgendwelche Akten durch. Hinten im Saal stehen noch mehr Reporter Schlange, Zeichner halten ihre Skizzenblocks bereit. Und an der anderen Wand lehnt Fitz, die Augen auf mich gerichtet.
    Eine Seitentür geht auf, und zwei Wachmänner führen meinen Vater herein. Er trägt wieder einen Anzug, aber sein Gesicht ist verschwollen und voller Blutergüsse, als sei er in eine Schlägerei verwickelt gewesen. Er ist frisch rasiert.
    Als Kind habe ich immer gern zugeschaut, wenn mein Vater sich rasierte. Ich war fasziniert, wenn der Schaum in seiner hohlen Hand aufging wie ein Baiser und er sich die untere Gesichtshälfte damit bemalte. Er mußte mir immer etwas auf die Wangen tupfen, und ich tat mit meiner Zahnbürste so, als würde ich mich rasieren. Anschließend beugten wir uns dann beide /um Spiegel - mein Vater, um zu überprüfen, ob er auch nichts vergessen hatte, und ich, um seine Augen und Wangen und Lippen mit meinen zu vergleichen und nach Ähnlichkeiten zu suchen.
    Als Kind wollte ich immer nur so werden wie er.
    Es ist wirklich schwer, eine schwangere Frau

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