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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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deren Welt zusammenbricht, schaffen es trotzdem, auf den waagerechten Horizont ihres Lebens zurückzuschauen, ohne den Bruch zu sehen.
    Aber ein Teil von mir weiß, daß es zwischen Delia und mir, ganz gleich, wie wir von nun an weitermachen, nie wieder so sein wird wie bisher. Denn wenn sie lächelt, werde ich wegschauen, ehe es mich umwirft. Wenn wir nebeneinander sitzen, werde ich darauf achten, daß unsere Schultern sich nicht berühren. Und wenn wir miteinander reden, wird es zwischen unseren Worten Lücken geben, die genau die Form dieses verdammten Kusses haben.
    Ich trete von ihr weg, mache einen großen Schritt auf die Kunststoffplatte des Schreibtisches zu. Er ist voll mit Papierstapeln, einem Bic-Stift, der zerlaufen ist wie das Rote Meer, einer Reihe Kaugummiverpackungen. Das heutige Abendessen: ein halb gegessener Muffin.
    T ja, ich hab eigentlich zu tun«, sage ich. »Ich war bei der Arbeit.«
    »Ach ja«, sagt sie enttäuscht. »Dein Artikel für die
    Gazette.«
    »Die Gazette hat mich rausgeschmissen.«
    Sie schaut weg. »Du hast gesagt, du schreibst über den Prozeß meines Vaters.«
    »Nein«, korrigiere ich. »Ich habe gesagt, ich soll was darüber schreiben.«
    Delia erhebt sich vom Bett und geht zum Schreibtisch. Sie fährt mit den Fingern über die Seiten, die ich während der Wochen hier geschrieben habe, als ich nichts anderes schreiben konnte; haufenweise Seiten, ohne daß ich merkte, wie viel es wurde. »Und was ist das hier?«
    Ich hole tief Luft. »Deine Geschichte.«
    Sie nimmt das Manuskript in die Hand. »Ich war sechs, als ich das erste Mal verschwand«, liest sie, und zum ersten Mal werden die Worte lebendig. »Sage ich das?«
    Ich nicke. »So hab ich dich gehört, im Kopf.«
    Delia blättert die ersten paar Seiten durch, und dann drückt sie sie mir in die Hände. »Lies vor«, fordert sie mich auf.
    Also räuspere ich mich. »Ich war sechs, als ich das erste Mal verschwand«, wiederhole ich. » Mein Vater hatte einen Zaubertrick einstudiert .« Ich lese als Delia, als Eric und Andrew und als ich selbst. Ich lese stundenlang. Ich lese, bis meine Stimme heiser wird. Ich lese, bis Delia einschläft und ich in einem ihrer Träume aufwache. Ich lese, bis sie weiterliest. Und als sich der Himmel langsam rötet, gehen ihr die Worte aus.
    »Wieso hast du nie was gesagt?« flüstert sie.
    »Du hattest jemand anderen.«
    »Der Mensch, in den man sich mit zwölf verliebt, ist nicht unbedingt derselbe, in den man sich mit zweiunddreißig verliebt.«
    »Aber manchmal eben doch«, erwidere ich.
    Wir bilden einen konzentrischen Kreis auf dem Bett, die Polyesterdecke ist wie ein Teich über uns gebreitet. Ich muß an die ruhige Stelle im Wasser denken, die ein abtauchender Wal mit der Schwanzflosse auf der Oberfläche des Wassers hinterläßt. Man nennt sie auch den Fußabdruck des Wals, weil jeder anders ist.
    Delia würde sagen, das ist schon wieder eine von den nutzlosen Informationen, die ich abgespeichert habe. Mag sein, aber ich weiß auch, daß sie immer die letzte Seite eines Buches liest, bevor sie sich entscheidet, die erste zu lesen. Ich weiß, daß sie den Geruch von neuen Buntstiften mag. Daß sie auf den Fingern pfeifen kann und Curry widerlich findet und noch keine einzige Zahnplombe hat. Das Leben ist kein homogener Handlungsstrang; es verbirgt sich in den unterschiedlichen Details.
    Ich strecke die Hand aus und berühre Delias Gesicht. »Wir werden nicht darüber reden, was gestern passiert ist, nicht?« frage ich leise.
    Sie schüttelt den Kopf. »Wir werden auch nicht darüber reden, was jetzt passiert«, sagt sie, und sie beugt sich ganz behutsam vor, damit ich eine Chance habe zurückzuweichen, ehe es zum Kuß kommt.
    Als wir uns voneinander lösen, habe ich das Gefühl, auf einem Fenstersims zu stehen, mir ist schwindelig, und ich bin sicher, daß jede Bewegung, die ich mache, die falsche sein wird. Ich kann kein einziges Wort finden, das sich nicht anfühlt wie Glas in meinem Mund. Du mußt gehen«, sage ich zu ihr.
    Als Delia fast an der Tür ist, dreht sie sich um. In den Händen hat sie den letzten Stoß Seiten, die ich geschrieben habe. »Ich will wissen, wie es ausgeht«, sagt sie.

ACHT
    Ein Lügner sollte ein gutes Gedächtnis haben.
    QUINTILIAN, Institution Oratoriae, iv. 2, 91

DELIA
    Ich weiß noch, wie wir manchmal durch die grauen Flure der Wexton High-School marschiert sind: Eric und ich, locker die Arme umeinander gelegt, neben uns Fritz, der wie ein Wasserfall

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