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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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spannende Anhörung wollen, sollten Sie sich eine Anwaltsserie im Fernsehen ansehen.«
    »Rein formal hab ich nichts auszusetzen, Fitzwilliam, aber emotional.« Sie blies mir einen Rauchring ins Gesicht. »Haben Sie sich nicht gefragt, warum ich
    Sie von Ihrer Serie >Seltsam, aber wahr< abgezogen und auf diese Story angesetzt habe?«
    »Aus reiner Barmherzigkeit?«
    »Nein, weil Sie etwas Bestimmtes mitbringen, das in die Geschichte einfließen könnte. Sie sind in Wexton aufgewachsen. Vielleicht sind Sie irgendwem aus der Familie ja schon einmal über den Weg gelaufen - in der Kirche, auf dem Schulabschlußball, was weiß ich. Sie können das Ganze auf die persönliche Schiene bringen ... und wenn Sic sich alles aus den Fingern saugen. Ich will den juristischen Kram nicht. Ich will das Familiendrama.«
    Ich fragte mich, was Marge wohl sagen würde, wenn sie wüßte, daß ich nicht nur in Wexton aufgewachsen bin, sondern noch dazu im Nachbarhaus von Andrew Hopkins. Daß Delia meine Familie ist, ganz ohne Drama. Ich fragte mich, ob sie verstehen würde, daß es für einen Journalisten nicht zwangsläufig von Vorteil ist, an einer Sache nah dran zu sein. Es kann nämlich dazu führen, daß man nicht klar sieht.
    Doch dann hob Marge ein Briefkuvert. »Ein Flugticket«, sagte sie. »Ich möchte, daß Sie diesem Burschen nach Arizona folgen und sich die Exklusivstory holen.«
    Ich bin noch nie allzu weit weg von Delia Hopkins gewesen, so sehr ich mich auch bemüht habe. Wenn Andrew nach Arizona ausgeliefert wird und Delia mitgeht, lande ich früher oder später sowieso auch dort. Dann soll die New Hampshire Gazette doch von mir aus die Kosten dafür übernehmen.
    Ich nahm Marge das Kuvert aus der Hand. Ich würde mir später überlegen, wie ich Delia erkläre, daß ich dazu auserkoren worden war, über ihren Kummer zu berichten. Ich würde mir später überlegen, wie ich meiner Chefin erkläre, daß Delia für mich nie eine Story sein wird, sondern ein Happy-End.
    Delia und ich bringen Sophie in den Gruppenraum, weil sie zu spät kommt. Sophies bisherige Kindergärtnerin ist in Schwangerschaftsurlaub gegangen und ihre Vertreterin ist noch ganz neu. Ich hänge Sophies Jacke an einen Haken neben ihrem Fach und hole die Lunchdose aus ihrem Rucksack. Die Erzieherin, eine zierliche Person, die so jung aussieht, als würde sie noch zur Schule gehen, bückt sich auf Sophies Höhe. »Sophie! Wie schön, daß du noch kommst.«
    »Bei uns in der Einfahrt sind Leute vom Fernsehen«, verkündet Sophie.
    Erstaunlicherweise beeinträchtigt das das Lächeln der Erzieherin überhaupt nicht. »Das ist aber interessant!« sagt sie. »Wie wär's, wenn du zu Mikayla und Ryan gehst?«
    Sophie läuft los, ist in Gedanken schon ganz woanders. Die Kindergärtnerin nimmt uns noch einen Moment beiseite. »Ms. Hopkins, wir haben von der Sache mit Ihrem Vater in der Zeitung gelesen. Wenn wir hier irgendwie helfen können ...«
    »Es wäre nur schön, wenn Sophie hier Ablenkung findet«, erwidert Delia hölzern. »Sie weiß nicht genau, was mit meinem Vater ist.«
    »Natürlich«, pflichtet die Erzieherin ihr bei und blickt mich an. »Sie kann von Glück sagen, daß sie Vater und Mutter hat, die so auf sie achten.«
    Sie wird tiefrot, als Delia und ich sie darüber aufklären, daß ich nicht Sophies Vater bin.
    Es hat, wie ich zugeben muß, Zeiten gegeben, wo ich es furchtbar gern gewesen wäre. Zum Beispiel als Delia meine Hand auf ihren Bauch legte, damit ich Sophie treten spüren konnte, und ich dachte: Ich hätte derjenige sein sollen, der an diesem Wunder Anteil hat. Wie oft lag ich als Teenager nachts wach und stellte mir vor, wie es wohl wäre, an Erics Stelle zu sein, die Freiheit zu haben, sie jederzeit berühren zu können, wie oft atmete ich ihren Geruch an meinem Kopfkissen ein, wenn sie nachmittags auf meinem Bett gelegen hatte, um für eine Klausur über Hamlet zu büffeln, und wie oft geriet mein Herzschlag ins Stolpern, wenn wir Greta nach einem erfolgreichen Einsatz streichelten und sich dabei unsere Hände streiften - und es gab noch so viele Augenblicke mehr, die mir nicht gehörten.
    Um die Erzieherin aus der peinlichen Situation zu retten, sage ich zu Delia: »Wir müssen los«, und ziehe sie aus dem Raum. »Komm, bevor die arme Frau ins nächste Fettnäpfchen tritt«, erkläre ich.
    »Ich hab mich gar nicht von Sophie verabschiedet.«
    Wir bleiben einen Augenblick auf dem Flur stehen und schauen durch die Scheibe in der Tür zu,

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