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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Schlitzen und sagte: »Andrea, ich ruf dich wieder an.«
    Ein guter CIA-Agent würde das Band aus der Kassette ziehen und die Beweise aufessen , dachte ich. Ein guter CIA-Agent würde eine Zyanidkapsel aus den geheimen Taschen seines Anzugs fischen und als Held für seinen Auftrag sterben.
    Meine Mutter zog mich am Ohr auf die Beine. »Du Lüüügner«, sagte sie, das langgestreckte Wort ein Alkoholhauch über mein Gesicht. »Du bist genau wie er.« Dann verpaßte sie mir eine derart heftige Ohrfeige, daß ich tatsächlich Sterne sah, und einen Moment lang war ich verblüfft, daß so etwas nicht nur in Cartoons vorkam, sondern wirklich passierte. Ich duckte mich, haßte mich dafür, haßte sie.
    Und dann war sie auf einmal bei mir hinter der Couch, und ihre Krakenhände strichen mir die Haare glatt und streichelten mein Gesicht und wiegten mich. »Schätzchen, das wollte ich nicht«, sagte sie. »Du verzeihst mir doch, nicht? Du weißt, ich würde dir nie weh tun. Du und ich, wir gehören doch zusammen, nicht?«
    Ich stand auf und wich vor ihr zurück. »Ich bin nebenan zum Abendessen eingeladen«, sagte ich, und in meinem Kopf ging ein rotes Leuchtsignal los. Ich war ein Lügner.
    »Na, dann lauf«, erwiderte sie, und sie lächelte ihr lockeres Lächeln, das sie aufsetzte, wenn sie verlegen war - nicht zu verwechseln mit dem, das sie aufsetzte, wenn sie sturzbetrunken war, oder dem falschen Lächeln, bei dem sich tief in meinem Bauch etwas verkrampfte.
    Die Nachbarschaft draußen sah aus wie ein handkoloriertes Foto, fast zu dunkel, um das Rot der abblätternden Fensterläden oder das Schneeflockenblau der Hortensien zu erkennen. Ich ging zu Delias Haus, aber als ich um die Ecke bog, blieb ich stehen. Das Küchenfenster verbreitete einen warmen Schein, wie eine große Kerze, und drinnen konnte ich Delia und ihren Vater beim Essen sehen. Brathähnchen. Ihr Vater hatte beide Hähnchenbeine in der Hand und ließ sie über den Servierteller auf Delia zutanzen.
    Ich setzte mich auf den Rasen. Ich wollte sie gar nicht unterbrechen, wurde mir klar. Ich wollte einfach nur wissen, daß es irgendwo ein Haus gab, in dem so etwas möglich war.
    »Eric, Mensch, wenn du weiter so hart schuftest, enterbt mein Vater mich noch«, sagt Chris lachend. Ich werde ruckartig wach, und mein Herz tut einen gewaltigen Sprung. Ich streiche meine zerknitterte Krawatte glatt und reibe mir mit der Hand durchs Gesicht. Auf meiner Wange ist ein Streifen, weil mein Kopf auf dem aufgeschlagenen Buch gelegen hat.
    Chris sieht nicht viel anders aus als Vorjahren an der Uni: dieselbe entspannte Haltung, dasselbe rotblonde Haar, derselbe sorglose Ausdruck eines Mannes, der weiß, daß immer alles so laufen wird, wie er will. »Also, willkommen im Familienbetrieb«, sagt er. »Meine Schwester hat gesagt, daß sie dich gestern in Empfang genommen hat. Tut mir leid, daß ich nicht selbst da sein konnte.«
    »Serena war furchtbar nett«, antworte ich und räuspere mich. »Und das Büro ist super.«
    Chris setzt sich mir gegenüber an den Tisch. »Bestimmt ganz schön stressig, sich über Nacht in die Gesetze von Arizona einzuarbeiten.«
    »Ich wußte gar nicht, daß ihr hier Gesetze habt. Ich dachte, es heißt immer noch: zehn Schritte, dann umdrehen und Colt ziehen.«
    Chris lacht. »Nur die Hälfte der Zeit. Unsere She-riffs sind nicht zu unterschätzen.« Er nimmt einen Schluck Kaffee. Schon von dem Duft läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Aber ich habe das Koffein zusammen mit dem Alkohol aufgegeben. Der Kick war zu vergleichbar, und ich wollte meinen Körper mit keinerlei High-Gefühl in Versuchung führen. Inzwischen nehme ich nicht einmal mehr ein Aspirin bei ganz gewöhnlichen Kopfschmerzen.
    Chris hebt die Tasse in meine Richtung. »Es ist noch mehr da, wenn du auch welchen willst. Frisch aufgebrüht.«
    »Danke, aber ich trinke keinen Kaffee.«
    »Das ist unmenschlich, Mann.« Er beugt sich vor, stützt die Ellbogen auf den Tisch. »So, jetzt erzähl mir mal lieber von dem Fall, schließlich fungiere ich als deine rechte Hand. Muß ja ein verdammt wichtiger Mandant sein, wenn er dich überreden konnte, deinen Hintern nach Arizona zu schwingen, um ihn zu verteidigen.«
    »Er ist auch verdammt wichtig«, antworte ich. »Er ist der Vater meiner Verlobten. Die Anklage lautet auf Kidnapping, er soll sie 1977 entführt haben, als sie im Rahmen des elterlichen Besuchsrechts bei ihm war.«
    Chris' Augen werden groß. »Ich beschwer mich nie wieder

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