Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
seinen Fußknöcheln klirren. Als er steht, kann ich sein Profil sehen: Es ist Andrew.
»Mr. Hopkins«, sagt der Richter, »ich sehe, Sie sind ohne anwaltliche Vertretung, daher frage ich Sie: Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?«
Ich laufe den Mittelgang hinunter. Auf Sitzungen der Anonymen Alkoholiker wird manchmal ein Spruch aufgesagt: Tu so als ob, bis du es kannst. Das hab ich schon einmal geschafft. Das kann ich wieder schaffen.
Der Richter blickt mich an. »Entschuldigung«, sagt Noble, als ich neben Andrew trete und ihm kurz eine Hand auf die Schulter lege. »Aber wer Sie sind?«
»Eric Talcott, Euer Ehren, ich bin als Anwalt in New Hampshire zugelassen, habe aber einen Antrag gestellt, diesen Fall hier vor Gericht vertreten zu dürfen. Mein Bürge für den Staat Arizona ist Christopher Hamilton ... und wenn mein Antrag bewilligt wird, bin ich für diesen Mandanten zuständig.«
Der Richter blickt in seine Akte und dann wieder mich an. »Sir, Ihr Verhalten ist nicht ordnungsgemäß. Nicht nur, daß ich nichts über Ihren Antrag vorliegen habe, ich finde es obendrein äußerst respektlos, einfach in meinen Gerichtssaal hereingeschneit zu kommen und den ganzen Ablauf zu stören.« Seine Augen verengen sich und richten sich auf meine Gurgel. »Mag sein, daß so etwas in New Hampshire üblich ist, bei uns in Arizona jedenfalls nicht.«
»Euer Ehren«, schaltet Chris sich ein, steigt eilig über die Gerichtsschranke und stellt sich neben mich. »Ich bin Christopher Hamilton, Euer Ehren, und daß Ihnen keine Informationen über Mr. Talcotts Antrag vorliegen, ist meine Schuld. Wir haben das Gerichtssekretariat gebeten, den Antrag entweder Ihnen vorzulegen oder einem anderen Richter, der in der Lage sein könnte, ihn rasch zu unterzeichnen ... da mir durchaus bekannt ist, Euer Ehren, daß Sie verständlicherweise Wert darauf legen, daß alles seine Ordnung hat.«
Chris kriecht dem Burschen nach allen Regeln der Kunst in den Hintern.
In Arizona funktioniert das anscheinend. Der Richter winkt dem Gerichtssekretär. »Fragen Sie nach, ob der Antrag eingereicht und bewilligt wurde.«
Der Sekretär greift zum Telefon und nuschelt etwas in den Hörer. Ich habe nie richtig begriffen, wie diese Leute das anstellen, aber so läuft das in jedem Gerichtssaal. Als er auflegt, sieht er den Richter an. »Euer Ehren, Richter Umatallo hat den Antrag soeben bewil-ligt.«
»Mr. Talcott, heute ist Ihr Glückstag«, sagt Noble ohne eine Spur von Freundlichkeit. »Wie bekennt sich Ihr Mandant?«
Ich blicke Andrew geflissentlich nicht an, als ich antworte. »Nicht schuldig.«
Andrew erstarrt und flüstert: »Ich hab doch gesagt -«
Leise falle ich ihm ins Wort. »Nicht jetzt.«
Der Richter blättert ein paar Seiten in der Akte durch. »Wie ich sehe, wurde die Kaution auf eine Million Dollar in bar festgesetzt. Ich nehme an, Sie wollen, daß das so bleibt, Ms. Wasserstein?« Er blickt zu der Staatsanwältin, die ich bis jetzt noch gar nicht registriert habe. Sie hat lockiges, braunes Haar, das sie zu einem strengen Nackenknoten gebunden hat, und sieht nicht so aus, als würde sie gern lächeln.
»Ja, Euer Ehren«, erwidert sie, und als sie aufsteht, sehe ich, daß sie schwanger ist, und zwar hochschwanger, so daß es mich nicht wundern würde, wenn sie jeden Augenblick niederkäme. Na toll. Die Staatsanwältin ist eine werdende Mutter, die natürlich mit einer Frau mitfühlen wird, deren Kind gekidnappt wurde.
»Dieser Entführungsfall ist für den Staat Arizona von großer Bedeutung«, sagt sie, »und in Anbetracht des extremen Fluchtrisikos, das bei dem Angeklagten gegeben ist, kommt für uns eine Freilassung gegen Kaution grundsätzlich nicht in Frage.«
Ich räuspere mich und stehe auf. »Euer Ehren, wir möchten Sie bitten, die Kautionsfrage noch einmal zu überdenken. Mein Mandant ist nicht vorbestraft und -«
»Das sehe ich anders, Euer Ehren.« Die Staatsanwältin hält einen Computerausdruck auf Endlospapier hoch und läßt ihn dann bis auf den Boden auseinander fallen. Der Länge des Dokumentes nach müßte Andrew Hopkins der Kriminelle des Jahrhunderts sein.
»Wäre schön gewesen, wenn du mir was davon gesagt hättest«, knurre ich mit zusammengebissenen Zähnen in Andrews Richtung. Es gibt für einen Verteidiger nichts Schlimmeres, als von der Staatsanwaltschaft vorgeführt zu werden. Der Mandant steht da wie ein Lügner, und du selbst wie ein Stümper.
»Der Angeklagte wurde im Dezember 1976
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