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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hatte gehofft, dich zu sehen, weil ich egoistisch bin, aber jetzt wünschte ich, du wärst nicht gekommen. Denn ich kann dir keinen Schutz mehr bieten, ich bereite dir nur noch Kummer.
    Ich habe einmal mein bisheriges Leben für dich aufgegeben, um zu tun, was für dich am besten ist. Morgen, wenn man mich einem Richter vorführt, werde ich das noch einmal tun.
    Ich drücke die Stirn gegen die kühlen Kacheln im Duschraum, als hinter mir ein Schatten auftaucht. Sticks steht da, umgeben von ein paar Männern, die genauso groß sind wie er. Sie haben die tätowierten Arme verschränkt und versperren den Ausgang.
    »Ich bin keine Lusche«, sagt Sticks.
    Ehe ich mich's versehe, liege ich auf dem Boden, und mein Kopf dröhnt von einem Faustschlag. Auf meinen Beinen liegt ein unglaublich schweres Gewicht, und ich spüre, wie mir die Hose nach unten gerissen wird. Ich will mich zusammenrollen, doch er schlägt mir jetzt ins Gesicht und in den Bauch. Ich versuche, um Hilfe zu rufen. Als seine Hände meine Beine packen, trete ich blind um mich, weil ich das nicht zulassen werde. Niemals.
    Ich balle die ganze Wut zusammen, die sich in mir seit dem Augenblick aufgestaut hat, als die Polizei mich aus meinem Haus in Wexton abführte. Ich lasse die Panik los, die ich seit achtundzwanzig Jahren in mir trage, die Panik, entdeckt zu werden. Als sein Arm mich an der Taille umklammert, als seine Hüften auf gleicher Höhe wie meine sind, greife ich nach dem Stück Seife auf dem Boden der Dusche. Ich drehe meinen Oberkörper, bis es weh tut, und ramme ihm die Seife in seinen grinsenden Mund.
    Er läßt mich augenblicklich los, und ich rolle mich auf die Seite, würgend, während ich hektisch meine Hose hochziehe. Ich kann hier drin nicht an dich denken. Ich kann jetzt nur an mich denken. Und man wird mich nicht in Frieden lassen, nicht einmal, wenn ich versuche, mich unsichtbar zu machen. Sie wollen Blut sehen.
    Das ist mein letzter Gedanke, bevor alles schwarz wird.
    Wenn ich im Gefängnis einschlafe, ist es niemals dunkel, und ich bin niemals müde. Und irgendwann denke ich dann darüber nach, was mich überhaupt hier hereingebracht hat, verdrehe es zu einem Möbiusband in meinem Kopf.
    Ich zähle keine Schafe; ich zähle Tage.
    Ich bete nicht; ich feilsche mit Gott.
    Ich mache eine Liste der Dinge, die ich für selbstverständlich gehalten habe, weil ich dachte, sie ständen mir stets zur Verfügung: Fleisch, das mit einem Messer geschnitten werden muß. Kaffee mit Koffein. Das fröhliche Lachen eines Kindes. Büroarbeit. Pechschwarze Dunkelheit. Tiefe Stille. Du.
    Ich öffne ein Auge, das einzige, das ich aufbekomme, und blicke auf einen kleinen, muskulösen Schwarzen, der gerade eine Orange von einem Essenstablett nimmt und unter seine Matratze schiebt. Es ist fast dunkel, und die Zellentür ist verriegelt.
    Ich will mich aufsetzen, doch ich fühle mich wie von einem Bulldozer überrollt. »Wer ... bist du?«
    Er dreht sich um, als wäre er überrascht, daß ich am Leben bin. »Concise.«
    »Ist das dein richtiger Name?«
    »Den haben sich die Ladys ausgedacht. Ich bin zwar klein, aber auch ganz schön süß.« Er nimmt eine Möhre und ißt sie. »Hoffe, du hattest nicht vor, noch was zu essen«, sagt er und deutet auf ein leeres Tablett, das wohl für mich bestimmt war.
    »Was haben sie mit ... Dingsbums gemacht?«
    »Sticks?« Concise grinst. »Das Schwein sitzt in D.«
    »D?«
    »Disziplinarzelle, für eine Woche.«
    »Und wieso ich nicht?«
    »Weil selbst die Aufseher wissen, daß alle Neuen sich wehren müssen, wenn sie nicht gefickt werden wollen.« Er beäugt mich eindringlich. »Aber mach's dir hier erst gar nicht gemütlich. Du bleibst nicht lange. Die stecken Schwarze und Weiße nicht gern zusammen, aber sie hatten nur hier ein Plätzchen frei.«
    Im Augenblick ist mir egal, ob Concise Afroamerikaner, Latino oder vom Mars ist. Er zieht eine Postkarte aus der Tasche seines gestreiften Hemdes und steckt sie durch die Stäbe der Zelle. An der Tür hat er aus Plastiklöffeln einen Briefkasten gebastelt, der sogar eine kleine, mit rotem Filzstift bemalte Flagge hat. Wie in der Welt draußen. Hier kann etwas abgeholt werden.
    Ich frage mich, ob man hier mit der Zeit ein dickeres Fell bekommt. Ich frage mich, ob es im Gefängnis anders ist als hier. Sobald ich mich vor Gericht schuldig bekenne, lande ich genau dort - für Jahre. Vielleicht eins für jedes, das ich dir gestohlen habe.
    Ich will mich auf die Seite drehen, zucke

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