Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman
wegen Körperverletzung verurteilt ... und zwar unter dem Namen Charles Edward Matthews, den er zu der Zeit noch führte.«
Der Richter läßt seinen Hammer knallen. »Das reicht. Wenn eine Million Dollar genügt haben, den Angeklagten in New Hampshire zu halten, dann genügen zwei Millionen, um ihn in Arizona zu halten. In bar.«
Die Wachleute ziehen Andrew mit klirrenden Ketten von mir weg. »Wo bringen Sie ihn hin?« frage ich.
Der Richter spitzt die Lippen. »Es gehört weiß Gott nicht zu meinem Job, Ihnen zu sagen, wie Sie den Ihren zu machen haben, Mr. Talcott. Was lernt ihr eigentlich da oben in New Hampshire an den Unis?«
»Ich habe in Vermont studiert«, berichtige ich ihn.
Der Richter schnaubt. »Vermont ist doch genau wie New Hampshire. Nächster Fall?«
Ich versuche, Andrews Blick aufzuschnappen, als er abgeführt wird, doch er dreht sich nicht um. Chris klopft mir auf die Schulter. Ich hatte völlig vergessen, daß er da ist. »Besser kriegt das hier keiner hin«, sagt er mit Bedauern in der Stimme.
Als wir durch die Gerichtsschranke gehen, sehe ich, wie die Staatsanwältin mit einem älteren Paar spricht. »Was weißt du über die Staatsanwältin?«
»Emma Wasserstein? Daß sie wahrscheinlich ihre Jungen frißt. Sie ist beinhart. Ich hatte zwar schon länger nichts mit ihr zu tun, aber ich bezweifele, daß die Schwangerschaft sie auch nur einen Deut sanfter gestimmt hat.«
Ich seufze. »Ich hatte irgendwie gehofft, das wäre bloß der größte Speckbauch aller Zeiten.«
Chris grinst. »Zumindest kann es schlimmer nicht mehr kommen.«
Doch im selben Augenblick dreht Emma Wasserstein sich um und führt die Frau und den Mann, mit denen sie spricht, aus dem Saal. Sie sind gut gekleidet, nervös. Sie wirken so benommen und durcheinander wie Leute, die mit Gerichten keine Erfahrung haben. Der Mann ist Mitte Fünfzig, hat einen dunklen Teint und wirkt unsicher. Er hat einen Arm um die Frau gelegt, die auf dem Gang stolpert und gegen mich stößt. »Discülpeme«, sagt sie.
Das rabenschwarze Haar, die Sommersprossen und vor allem die Form ihres Gesichts: Ich trete zurück, um die Frau vorbeizulassen, die nur Delias Mutter sein kann.
Gerichtsgebäude sind voller Geräusche - das Quietschen von Schuhsohlen, das leise Gemurmel von Zeugen, das Klimpern von Münzen und das Rattern von Getränkeautomaten. Aber Klatschen hört man nur selten. Daher drehe ich mich, als ich Applaus höre, suchend nach der Quelle um. »Nicht gerade dein bester Auftritt«, sagt Fitz und kommt auf mich zu. »Aber ich will mal ein Auge zudrücken, weil der Jetlag noch an dir nagt.«
Mein Lächeln kommt aus tiefstem Herzen. »Gott, tut das gut, ein freundliches Gesicht zu sehen.«
»Nach dem Showdown mit Medea da drin kann ich's dir nicht verdenken. Wo ist Delia?«
»Ich weiß nicht«, gestehe ich. »Sie hat mich angerufen, weil Sophie krank ist, aber ich konnte sie nicht erreichen.«
»Du meinst, sie weiß gar nichts von der Anklageeröffnung gegen Andrew?«
»Bis vor zehn Minuten hab ja nicht mal ich selbst davon gewußt«, sage ich.
Fitz blinzelt mich an. »Sie wird dich umbringen.«
Ich nicke und bemerke einen Notizblock, der aus seiner Tasche lugt. Ich schnappe ihn mir, und als ich ihn durchblättere, sehe ich, daß es Notizen über das Eröffnungsverfahren sind. Er ist nicht hier, um moralische Unterstützung zu geben. Er ist hier, um für die Gazette über den Fall zu schreiben. »Aber vorher bringt sie dich um«, erwidere ich trocken.
»Na denn«, sagt Fitz und zieht den Kopf ein. »Willst du mir in der Hölle Gesellschaft leisten?«
Wir gehen den Korridor hinunter. Ich habe keine Ahnung, wohin der führt. Könnte durchaus der Gang sein, der zurück in die Haftanstalt führt. »Fahr zu ihr«, schlage ich vor. »Wir wohnen in einem Trailer, der kleiner ist als Gretas Hundehütte zu Hause.«
»Sicher immer noch besser als das Motel, in dem die Gazette mich einquartiert hat. Liegt praktischerweise ganz nah am Flughafen. So nah, daß jedesmal die Klospülung geht, wenn eine Maschine startet.«
Ich ziehe meinen Stift aus der Brusttasche und nehme Fitz' Hand, kritzele ihm die mir selbst noch fremde Adresse auf die Handfläche. »Sag ihr, ich komme nach Hause, sobald ich kann. Sag ihr, sie soll mich anrufen, damit ich weiß, wie es Sophie geht. Und wenn du es irgendwie ins Gespräch einfließen lassen kannst, darfst du sie gern von der Anklageeröffnung unterrichten.«
Während ich weiter den Flur entlanggehe,
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