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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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entscheidet sich für einen schwarzen Hengst neben Fitz. Ich höre, wie die Musik losklimpert und das Karussell sich stockend in Bewegung setzt.
    Oben am Karussell ist eine S-förmige Chromstange, die bewirkt, daß sich immer eines von ihren Pferden hebt, während das andere sich senkt. Es sieht aus, als würden sie sich unabhängig voneinander bewegen, aber das täuscht nur.
    Zwei Tage später betrete ich das Büro von Sheriff Jack: Chef des Gefängnissystems von Maricopa County und Medienstar mit einer so schillernden Persönlichkeit, daß man ihn jederzeit als Alleinunterhalter in eine Talkshow setzen könnte. Leider entspricht alles, was ich über ihn gehört habe, der Wahrheit, von dem Spucknapf, den er auf seinem Schreibtisch stehen hat (und ausgiebig nutzt), über die gerahmten Fotos, auf denen er mit jedem noch lebenden republikanischen Präsidenten abgelichtet ist, bis hin zu dem Mortadellasandwich, das er genau wie seine Gefangenen zum Lunch ißt. »Nur noch mal der Richtigkeit halber«, sagt er, und die Heiterkeit trieft förmlich unter seinem borstigen Schnurrbart hervor, »Ihr Mandant weigert sich, Sie zu sehen?«
    »Ja, Sir«, sage ich.
    »Aber damit wollen Sie sich nicht so ohne weiteres abfinden.«
    »Ganz genau, Sir.«
    »Und Sergeant Concannon sagt, Sie ...« Er blickt auf ein Blatt Papier vor sich. »... hätten ihr Komplimente gemacht, um sich Zugang zum Zellenbereich der Häftlinge zu verschaffen.« Er blickt auf. »Komplimente?«
    »Sie ist eine gutaussehende Frau«, sage ich und schlucke.
    »Sie ist eine verdammt gute Aufseherin, aber sie sieht ungefähr so gut aus wie das Hinterteil eines Esels. Ein weniger toleranter Mann als ich könnte das für sexuelle Belästigung halten.«
    Was ich jetzt am allerwenigsten gebrauchen könnte, wäre, daß Sheriff Jack zum Hörer greift und Richter Noble anruft, um mit ihm ein delikates Pläuschchen zu halten. »Oh nein, Sir«, sage ich, »ich finde Frauen wie Sergeant Concannon, Frauen mit einer etwas ... rauheren Schale, wirklich attraktiv.«
    »Sergeant Concannons Schale ist so rauh wie Sandpapier. Ich glaub Ihnen kein Wort, junger Mann.«
    »Habe ich schon erwähnt, daß ich einen Freund habe, der bei der größten Zeitung in New Hampshire Journalist ist und gern etwas über Sie schreiben würde?« Ich werde Fitz dafür bezahlen, wenn's sein muß. Von mir aus einen Batzen.
    Sheriff Jack lacht laut auf. »Ich mag Sie, Talcott.«
    Ich lächele höflich. »Um noch einmal auf meinen Mandanten zurückzukommen, Sir.«
    »Sheriff Jack«, berichtigt er mich. »Was ist mit ihm?«
    »Wenn ich zu ihm in die Zelle könnte, nur fünf Minuten, könnte ich ihn, glaube ich, davon überzeugen, daß es in seinem Interesse wäre, sich wieder mit mir zusammenzusetzen.«
    »Wir dürfen Anwälte nicht in die Zellen lassen. Es sei denn natürlich, sie hätten was ausgefressen.« Er überlegt eine Sekunde. »Aber vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee.«
    »Sheriff.« Ich blicke ihm in die Augen. »Ich würde gern mit Andrew Hopkins sprechen.«
    Kurzes Schweigen. »Ein Journalist, sagten Sie?«
    »Preisträger«, lüge ich.
    Er steht auf. »Ach, was soll's, wird vielleicht ganz lustig.«
    Sheriff Jack geleitet mich persönlich zum Aufzug und in den ersten Stock. Hier sieht es ganz anders aus als im Besucherbereich: Von einem Kontrollturm in der Mitte aus werden die vier Trakte, in denen die Insassen untergebracht sind, überwacht. Überall sind verriegelte Türen.
    Alle kennen Sheriff Jack - auf unserem Weg über die Flure grüßen ihn die Aufseher, aber was ich noch erstaunlicher finde, auch die Insassen. »He, Sea Rag«, sagt er, als wir an einem Mann vorbeikommen, der zurück in seine Zelle gebracht wird.
    »Alles klar?« erwidert der Mann grinsend.
    Sheriff Jack blickt mich stolz an. »Ich kann mich hier mit allen unterhalten, egal, wo sie herkommen. Ich kann Stellt euch gefälligst in Reih und. Glied auf in sechs verschiedenen Sprachen sagen.«
    Er legt seine Hand an eine Türklinke, es summt und die Tür geht auf. Ein Häftling in einem rosa Tanktop lümmelt sich auf einem Stuhl und liest in einem Taschenbuch: Der Ursprung von Ayn Rand. Seine Arme sind von oben bis unten mit den germanischen Worten Weiße Macht tätowiert. »Zieh dir ein Hemd an«, befiehlt Sheriff Jack.
    Wir gehen einen Gang hinunter, der in einen großen, zweigeschossigen Raum mündet. Auf allen Seiten des Quadrats befindet sich ein geschlossener Trakt - oben vergitterte Zellen, unten ein

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