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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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vorzutragen.
    Ich schlendere im Aufenthaltsraum umher, ohne irgendwo so richtig dazu zupassen. Im Fernseher läuft eine Sendung über die vom Präsidenten begnadigten Truthähne, denen das Schicksal erspart blieb, als Thanksgiving-Braten zu enden. »Die begnadigten Truthähne haben allen Grund zur Freude«, sagt die  Sprecherin. »Wie die Tierschutzorganisation PETA am Montag bekannt gab, hat die Farm Frying Pan Park in Herndon, Virginia, auf der die verschonten Truthähne ihr Gnadenbrot fristen, eine bessere Behandlung von Katie versprochen, der Truthenne, die Präsident Bush im letzten Jahr vor dem Backofen bewahrte.«
    Elephant Mike, Mitglied der rechtsextremen Gefängnisgang Aryan Brotherhood und Sticks' Stellvertreter, dreht den Ton lauter. Er ist ein massiges Muskelpaket mit kahlgeschorenem Kopf und einem Spinnen-Tattoo hinten auf dem Schädel, und gehörte zu den Handlangern, die Sticks dabei hatte, als er mich im Duschraum überfiel. »He, kennt einer die Adresse von PETA?« sagt er. »Vielleicht können die uns auch bessere Bedingungen verschaffen.«
    Die Reporterin strahlt in die Kamera. »Katie erhält einen beheizten Stall, mehr Stroh, zusätzliches Gemüse und Obst sowie weibliche Gesellschaft in Form von ein paar Hühnern zur psychischen Stimulation.«
    Elephant Mike verschränkt die Arme. »Das gibt's doch nicht. Gegen weibliche Gesellschaft zur psychischen Stimulation hätte ich auch nichts einzuwenden. Die Chilis hier machen mich nicht scharf.«
    Ein Mexikaner steht auf und tritt im Vorbeigehen gegen den Stuhl, auf dem Elephant Mike sitzt.
    »Gringo«, knurrt er. »Cbenga su madre.«
    Als ich an Elephant Mike vorbeigehe, hält er mich am Hemd fest. »Ich soll dir von Sticks was ausrichten.« Ich frage erst gar nicht, wie Sticks, der in einem ganz anderen Stockwerk dreiundzwanzig Stunden des Tages in einer Einzelzelle hockt, es gedeichselt haben könnte, Elephant Mike eine Nachricht zukommen zu lassen. »Hier im Knast hält man sich an seinesgleichen.«
    »Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, daß du nicht zu meinesgleichen zählst«, erwidere ich.
    »Ich sag dir das nur zu deinem eigenen Schutz.«
    Ohne ein weiteres Wort gehe ich weiter, werde aber nach nur zwei Schritten gegen die Wand gedrückt. »Hier kann jederzeit ein Kampf ausbrechen, und wenn das passiert, empfiehlt es sich nicht, einen Typen neben sich zu haben, der sich gegen dich wendet. Ich sage nur, du wirst dran glauben, wenn du nicht aufpaßt, Opa.«
    Eine Stimme ertönt über Lautsprecher. »Mike, was machst du da?« fragt der Aufseher.
    »Ich tanze«, sagt er und läßt mich los.
    Der Aufseher seufzt. »Bleib beim Walzer.«
    Elephant Mike versetzt mir einen Stoß und geht.
    Ich balle die Fäuste, damit niemand merkt, wie stark meine Hände zittern. Wenn heute ein normaler Dienstag wäre, dann wäre ich um halb neun im Büro gewesen. Ich hätte in der Verwaltung von Wexton Farm, der betreuten Wohnanlage, angerufen und mich erkundigt, ob es irgend etwas gäbe, was ich wissen müßte - Neuzugänge, Verspätungen bei den Shuttlebussen, neue Diätvorschriften. Ich hätte in der Küche nachgefragt, was heute auf der Speisekarte steht, und dann den Gast begrüßt, der das heutige Unterhaltungsprogramm bestreitet - einen Vortragsredner aus Dartmouth oder eine Aquarellkünstlerin. Ich hätte zwischendurch im Internet nach Zeitungsberichten über dich und Greta gesucht. Ich hätte das Foto von Sophie entstaubt. Ich hätte den Tag mit Menschen verbracht, die die Zeit, die sie noch haben, zu schätzen wissen.
    Ich steige die Treppe zu den Zellen hoch. Concise hockt auf dem Boden über einem Karton, in dem er die Sachen aus dem Knastladen hortet. Als er meine
    Schritte hört, schiebt er etwas unter die untere Pritsche, das aussieht wie ein Stück Brot. »Ich hab hier zu tun. Verschwinde.«
    In der Zelle riecht es nach Orange. »Was weißt du über Elephant Mike?«
    Concise wirft mir einen Blick zu. »Der hält sich für 'ne ganz große Nummer, aber im Grunde checkt er nur ab, wer sich hier zur Wehr setzt und wer kneift.« Dann fällt ihm offenbar ein, daß er mir ja gar keine Auskunft geben soll, sondern sein möglichstes tun, damit ich in eine andere Zelle verlegt werde. »Wenn die dich hier entdecken, kriegst du verdammten Ärger.«
    Ich blicke nach unten und hebe das Verpackungspapier von einem Jolly-Rancher-Bonbon auf, drücke es zwischen den Händen flach. »Nicht fest verschließen«, sage ich.
    Als er mich ansieht, zucke ich die

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