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Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman

Titel: Wahrheit Meines Vaters, Die: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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brennende Schmerz ihrer Hand in meinem Gesicht, wenn sie eigentlich sich selbst bestrafen wollte.
    Diese Erinnerungen sind die Stützpfeiler, auf denen ich mein Leben errichtet habe. Doch dahinter verbergen sich die anderen Erinnerungen, die nur hervorlugen, wenn ich nicht aufpasse: der diesige Nachmittag, an dem meine Mutter und ich auf dem Gehweg hockten und zusahen, wie Ameisen eine Stadt bauten. Ihre
    Stimme, mit der sie mich morgens wach sang, auch wenn sie nie den Ton traf. Die Sommertage, an denen sie mit Mülltüten und dem Gartenschlauch eine Wasserrutschbahn für uns zwei auf dem Rasen baute. Wenn man ihre Unbeständigkeit positiver deuten wollte, wurde sie zu Spontaneität.
    War es besser, eine gelegentliche Mutter zu haben als gar keine?
    Andrew hat meine Gedanken erraten. »Du weißt ja selbst, wie das für ein Kind ist, Eric. Wenn du die Wahl gehabt hättest, hättest du dann bei so einer Mutter wie deiner aufwachsen wollen?«
    Nein. Ich wäre lieber nicht bei so einer Mutter aufgewachsen, aber so war es. Und ich wäre auch nicht gern wie meine Mutter geworden, aber so war es. »Was hast du gemacht?« frage ich.
    »Ich habe Delia ins Auto gepackt und bin losgefahren.«
    »Ich meine, davor. Hast du dich um deine Exfrau gekümmert? Oder jemanden angerufen, der sich um sie kümmert?«
    »Ich war nicht mehr für sie verantwortlich.«
    »Wieso nicht? Weil du ein Stück Papier hattest, auf dem stand, daß ihr geschieden seid?«
    »Weil ich mich schon tausendmal um sie gekümmert hatte«, sagt Andrew. »Verteidigst du mich oder Elise? Verdammt noch mal, Delia war in genau der gleichen Situation, als sie schwanger wurde, mit dem einzigen Unterschied, daß du es warst, der betrunken auf dem Boden lag.«
    »Aber sie ist nicht davongelaufen«, stelle ich klar. »Sie hat gewartet, bis ich die Sache in den Griff bekommen habe. Also versuch erst gar nicht, deine Situation mit ihrer zu vergleichen, Andrew, weil Delia ein besserer Mensch ist, als du es je warst.«
    Ein Muskel zuckt in Andrews Wange. »Ja genau. Ich schätze, wer sie erzogen hat, muß seine Sache richtig gut gemacht haben.« Er steht auf und verläßt den Besprechungsraum, winkt einem Aufseher, der ihn zurück in seine sichere Zelle bringen soll.
    Delia ruft mich auf dem Handy an, als ich zurück in die Kanzlei fahre. »Stell dir vor«, sagt sie. »Diese Staatsanwältin hat mich angerufen, Ellen ...«
    »Emma.«
    »Egal.« Ich kann das Lächeln in ihrer Stimme hören. »Sie hat gefragt, ob ich Zeit hätte, mich mit ihr zu treffen, und ich hab gesagt, ja klar, ich hätte da noch einen Termin frei am Sankt-Nimmerleins-Tag. Wo bist du gerade?«
    »Auf dem Rückweg von der Haftanstalt.«
    Kurzes Schweigen. »Und wie geht's ihm?«
    »Ganz gut«, sage ich und bemühe mich um einen munteren Ton. »Wir haben alles im Griff.« In meinem Handy klopft es an, ein weiterer Anruf. »Moment, Dee«, sage ich und nehme das andere Gespräch an. »Talcott.«
    »Ich bin's, Chris. Wo bist du?«
    »Kurz vor der Route Ten.«
    »Nimm die nächste Abfahrt«, sagt er. »Du mußt zurückfahren.«
    Mir sträuben sich die Nackenhaare. »Ist was mit Andrew?«
    »Nein. Du hast gerade Post von Emma Wasserstein bekommen. Sie hat beantragt, dich von dem Fall abzuziehen.« »Mit welcher Begründung?«
    »Zeugenbeeinflussung«, sagt Chris. »Sie glaubt, du fütterst Delia mit Informationen.«
    Ich klappe fluchend das Handy zu, und sofort klingelt es wieder. Ich hatte vergessen, daß Delia noch auf der anderen Leitung ist. »Was hast du noch zu der Staatsanwältin gesagt?« frage ich.
    »Nichts. Sie hat es auf die Kumpeltour versucht, aber ich bin nicht drauf reingefallen. Sie hat gesagt, sie würde sich gern mit mir treffen, aber ich hab abgelehnt. Sie wollte mich über meinen Vater aushorchen.«
    Ich schlucke. »Was hast du gesagt?«
    »Das würde sie gar nichts angehen und wenn sie was über ihn wissen will, sollte sie mit dir reden, genau wie ich.«
    Ach du Schande.
    »Wer hat dich vorhin angerufen?« fragt Delia.
    »Nur ein Höflichkeitsanruf von meinem Telefonanbieter«, lüge ich.
    »Das war aber ein langer Anruf.«
    »Na, die waren eben sehr höflich.«
    »Eric«, sagt Delia, »hat mein Vater noch irgendwas über mich gesagt?«
    Ich verstehe sie bestens. Der Handyempfang ist glasklar. Doch ich halte das Gerät vom Ohr weg. Ich mache knisternde Geräusche. »Dee, kannst du mich hören? Ich fahre gerade unter Stromleitungen durch ...«
    »Eric?«
    »Die Verbindung geht weg«, sage

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