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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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und Tangxia, die anderen Distrikte, die Verbindungsgänge gesperrt hätten. Dies sei die Folge der Ermordung des Distriktmagistrats durch eine der Jugendbanden, die sich wie Banditen verhielten, Menschen missbrauchten und ihnen das Essen oder ihre Habseligkeiten raubten.
    Von der Überführung aus führte Bao sie auf gewundenen Wegen durch die Wände, Decken und bisweilen auch Böden des Yaotai-Distrikts. Bei jeder Biegung sahen sie nichts als Verfall und Elend, ausgezehrte, erschöpfte Gesichter und hier und da auch Vertreter anderer Spezies, hier einen Kiskashin, dort einen Henkayaner, alle von einer Leibwache von Gomedranern eskortiert.
    »Ah, ja, die Va-Zla«, sagte Ingenieur Bao. »Das sind Wucherer, Gangster und Schläger, die von den Sonnenauge-Verwaltern eingeladen wurden, uns zu überwachen. Blutsauger, alle miteinander.«
    Wie er so die Nichtmenschen von oben beobachtete, bemerkte Kao Chih, dass Mandator Qabakri noch an seinem Beobachtungsschlitz verharrte, als die anderen schon weitergingen.
    Ich frage mich, was er von alledem hält, dachte Kao. Welchen Eindruck macht dieses Unterdrückungssystem wohl auf einen alten, erfahrenen Roug?
    Ingenieur Bao geleitete sie zu einigen weiteren Beobachtungspunkten, welche die bisherigen Eindrücke bestätigten. Zuletzt aber gelangten sie unerwartet nach draußen. Ein kurvenreicher, ansteigender Nebengang mündete auf den schmalen Sims einer steil abfallenden Felswand.
Kao Chih versuchte, nicht an den Abgrund zu denken, als er dem Ingenieur folgte. Zehn beklemmende Minuten später schwang sich die Felsleiste zu einem gewaltigen schroffen Vorsprung auf. An der anderen Seite befand sich eine Plattform natürlichen Ursprungs, und als Kao Chih sie betrat, bot sich ihm ein erstaunlicher Anblick.
    Im Westen lag das Bergmassiv, von dem sie vor Stunden aufgebrochen waren. Ingenieur Bao hatte ihnen zuvor gesagt, an der anderen Seite, verdeckt durch die dunklen, schroffen Berge, liege die Stadt Thaul, erbaut von den Sonnenauge-Merkantilisten. Jetzt hatten sie nach Norden hin freie Sicht auf die Stadt.
    Sie waren in langen Reihen angeordnet, Reihe um Reihe erstreckte sich über die weite Ebene, Hunderte reglose Kolosse, durch ihre Panzerung vor Wind und Wetter geschützt. Kao Chih hatte die Extraktormaschinen in der Schule auf Fotos und in Videoaufnahmen sowie auf Gemälden und in Vee-Dramen gesehen und sich häufig vorgestellt, als tapferer Kolonist gegen diese Monster zu kämpfen, damit sie endlich aufhörten, ihre Welt zu plündern. Sie unmittelbar vor sich zu sehen aber war noch gruseliger.
    »Das sind die Ungeheuer, die unsere Welt zerstört haben«, sagte der Ingenieur. »Jedenfalls ein Teil von ihnen.«
    »Gibt es denn noch mehr?«, fragte Silveira.
    Bao lächelte freudlos. »Das hier sind nicht einmal tausend, aber jenseits der Berge, im Süden von Thaul, stehen weitere viertausend. Angeblich fressen sich zweitausend von ihnen noch immer durch die Überreste des Großen Nordwalls hindurch, und etwa dreitausend sind am Meeresboden tätig. Es braucht Zeit und viel Mühe, einen ganzen Planeten zu vertilgen.«
    »Zehntausend«, murmelte Silveira und verstellte seine Kamera. »Wie groß sind sie?«

    »Im Durchschnitt fünfhundert Meter lang, hundertdreißig Meter breit und hundertzwanzig Meter hoch.« Der Ingenieur lachte. »Diese Zahlen stammen aus einem alten Buch, in dem sie Tao-Tie genannt wurden …«
    »Der Dämon?«, sagte Kao Chih. »Der so hungrig war, dass er seinen eigenen Kopf verspeist hat!«
    »Genau der«, sagte Bao und blickte zu den auf der kahlen Ebene hockenden Kolossen hinunter. »Aber diese Geschichten spielten in der fernen Vergangenheit und an einem anderen Ort. Die Sonnenauge-Barbaren haben wahre Ungeheuer hierhergesandt, die unsere Welt verschlingen, und schauen dabei zu, wie wir leiden und hungern und gegeneinander kämpfen. Bitte helfen Sie uns - auf wen sollen wir hoffen, wenn nicht auf Sie?«
    Silveira nickte und neigte sorgenvoll das Haupt. Dann streckte Qabakri zu Kao Chihs Überraschung seine große, von einem weiten Ärmel umhüllte und mit einem dicken Handschuh geschützte Hand aus und legte sie dem Ingenieur sanft auf die Schulter.
    »Wir haben Sie gehört«, sagte der Roug, zog seine Hand zurück und wandte sein kapuzenverhülltes Gesicht zu den in der Ferne aufgereihten Maschinen herum. »Wir werden Ihnen die Unterstützung nicht vorenthalten.«
    Kao Chih musterte das weite Gewand des Roug, erstaunt über dessen Spontaneität. Ingenieur

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