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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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gefilmt ein paar Dutzend Menschen, die in einer Art Frachtraum zusammengepfercht waren. Auf einer Brücke patrouillierten Wachposten. Theo beugte sich vor - einige Personen trugen elegante Gewänder, und ihre Gesichtszüge waren asiatisch.
    »Das sind Leute von Scheiterhaufen … Sie haben die Vergeltung überfallen«, sagte Gideon ungläubig. »Aber tygranische Truppen dürfen doch gar nicht gegen andere Menschen eingesetzt werden! Das war der Kernpunkt der Vereinbarung mit der Hegemonie …«

    »Seien Sie doch nicht so naiv, Gideon. Die Leute von Scheiterhaufen sind zu einer Gefahr für die Hegemonie und somit auch für Tygra geworden. Also, wenn Sie meine Anweisungen nicht befolgen, werde ich alle fünf Minuten einen oder vielleicht auch alle zehn Minuten zwei erschießen …«
    »Das ist barbarisch.«
    »Nein, systematisch, Gideon«, sagte Becker. »Um Tygra willen muss getan werden, was getan werden muss. Der Zweck heiligt die Mittel …«
    »Soeben ist ein kleines Raumfahrzeug von der Basis gestartet und fliegt in unsere Richtung.«
    »Ah, das werden Horne und dessen Männer sein«, meinte Becker. »Er wird ihre Kapitulation entgegennehmen und das Kommando übernehmen.«
    »Sie wissen, dass er kein Mensch ist«, sagte Gideon.
    »Er ist Mensch genug, um Tygra zu dienen«, entgegnete Becker. »Außerdem stark und loyal. Also, wie geht’s weiter, Gideon - Kapitulation oder Blutbad? Ich habe Ihnen Zeit zum Nachdenken gelassen, aber auf mich wartet eine Menge Arbeit …«
    »Kontinuumsstörung!«, meldete Malachi. »Hyperraumaustritt in nächster Nähe!«
    Während die Brücke flirrte, der Raum sich verzerrte und die Sterner nach außen glitten, trat unmittelbar hinter Beckers Schiff ein großes, unglaubliches Gee in den Normalraum ein und blickte mit leeren, steingrauen Augen darauf hinunter.

30 Kao Chih
    Zwei Stunden zuvor lag Kao Chih angeschnallt in einer Koje eines Zwei-Mann-Tarnkappenverfolgers, der am Rumpf des Roug-Schiffs Vyrk verankert war, und wartete auf den Start. Die Panzerung des Bootes war weitgehend durchsichtig, das einfallende Licht, auch das des Hyperraums, wurde automatisch gefiltert. Ajegil, sein Begleiter, war ruhig und gelassen; offenbar verfügte er über ausreichend Einsatzerfahrung, wenngleich Kao Chih sich fragte, auf welche Weise und vor allem wo ein Roug dergleichen Erfahrung erworben haben sollte. Dann aber wandten sich seine Gedanken den Menschen zu, die von dem Ezgara-Schiff gefangen genommen worden waren, dem Duizhang von Vergeltung und all den Offizieren und Ältesten-Beratern. Er betrachtete sich nicht als Traditionalisten, doch die Entführung dieser Galionsfiguren hatte ihn tief betroffen und die Frage aufgeworfen, ob er in irgendeiner Weise dafür verantwortlich war. Die Entführung war offenbar als Warnung gemeint und sollte die Menschensippe davon abhalten, einen Emissär loszuschicken.
    Die Drohung mit Bestrafung zieht nur bei den Wehrlosen, dachte er. Beziehungsweise bei denen, die sich für wehrlos halten.
    Endlich wurde der Startbefehl erteilt, ein Schwall geflüsterter Roug-Silben, auf den Ajegil antwortete. Dann blickte er mit seinen drahtgitterverhüllten Augen Kao Chih an.
    »Mensch Kao Chih, es geht los.«

    Das Boot löste sich vom Rumpf der Vyrk und drehte sich mehrmals um die eigene Achse, bevor es sich stabilisierte. Der Antrieb, der sie durch die verschlungene Leere des Hyperraums schleuderte, summte durchdringend. Wände und Meere aus instabiler Materie rasten vorbei, flammten auf, verwandelten sich in flüchtige Lichtvorhänge und kehrten in den ursprünglichen Zustand zurück. Ein flackernder, blitzender, wogender Ozean des Chaos, den sie auf einem Kurs durchflogen, der sie direkt zum Entführerraumschiff bringen würde, das vor ihnen den Hyperraum durchmaß.
    Als das Verfolgungsboot seine Flugbahn stabilisiert hatte, sah Kao Chih das Roug-Schiff auf einmal von unten und vorn. Dies war erst das zweite Mal, dass er die erstaunlich geformte Vyrk zu Gesicht bekam - zum ersten Mal hatte er sie vor einigen Stunden gesehen, kurz nachdem er erfahren hatte, dass keinerlei Aussicht bestand, dass die Erdsphäre Scheiterhaufen oder Darien helfen würde. Eine solch tiefe Verzweiflung hatte er noch nie zuvor verspürt, weder in dem Moment, als Drazuma-Has Verrat offenbar geworden war, noch an Bord des Schiffes der Chaurixa-Terroristen.
    Mandator Reen aber hatte versprochen zu helfen und gesagt, man werde ihnen ein geeignetes Raumschiff zur Verfügung stellen. Und als

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