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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Beratungen für den Autoskooter, das Kettenkarussell und – zur Überraschung der Eltern – für die Geisterbahn.
    »Warum die Geisterbahn?«, fragte Morgenstern, als sie vor dem seltsam altmodisch anmutenden Fahrgeschäft standen, dessen Front über und über mit zähnefletschenden Horrorgestalten bemalt war.
    »Weil das total lustig wird«, sagte Marius. »Schau doch mal!« Er deutete auf die Spitze des Fahrgeschäfts, auf der ein Pappmaschee-Henker mit halb heruntergerutschter Hose unter schepperndem Hohngelächter immer wieder einen bluttriefenden Kopf aus einem Weidenkorb zog.
    »Wenn das für euch lustig ist …«, wunderte sich Morgenstern.
    »Papa, du musst mit mir fahren«, bat Bastian, dem nun offenbar doch Bedenken gekommen waren.
    »Also gut«, stimmte Morgenstern zu und dachte daran, dass seine Kinder in den vergangenen Tagen tatsächlich ein wenig zu kurz gekommen waren. Und nächste Woche, im Türkeiurlaub, würden sie komplett auf ihn verzichten müssen …
    Das Wägelchen der Geisterbahn, in das sich Vater und Sohn quetschten, wurde von einer Art Zahnradbahn über eine steile Rampe ins Obergeschoss des Fahrgeschäftes gezogen. Marius hatte allein den nachfolgenden Wagen besetzt und johlte voll Vorfreude.
    Morgenstern legte seinen rechten Arm um Bastian, dann wurden sie vom stockfinsteren Geistertunnel verschluckt.
    »Ich seh nichts«, sagte Bastian, doch schon erleuchtete ein Blitz eine Nische, auf die sie zufuhren, und unter lautem Klappern versuchte ein Skelett, nach ihnen zu greifen. Riesenspinnen baumelten von der Decke, ein Sargdeckel öffnete sich quietschend und gab den Blick auf einen modernden Leichnam frei, Monster streckten unter schaurigem Geheule die Arme nach ihnen aus, ein schwarzes Tuch, bemalt wie ein Spinnennetz, strich Vater und Sohn über die Köpfe.
    »Ih!«, machten beide gleichzeitig, ohne sich ernsthaft zu gruseln. Immer wenn das Wägelchen um eine Kurve ratterte, eröffnete sich ein neuer sekundenkurzer Blick auf ein weiteres »Schreckensbild«, auf flatternde Fledermäuse oder sensenschwingende Knochenmänner mit klapperndem Kiefer. In der letzten Kurve baumelte ein Mann mit verzerrtem Gesicht und panisch aufgerissenen Augen an einem Henkerseil von der Decke, die Beine zappelten, von unsichtbaren Fäden gezogen, einen Todestanz, illuminiert von zuckenden Stroboskopblitzen und untermalt von infernalischem Gejaule.
    Morgenstern starrte auf den Gehängten am Seil. Er drehte sich im Wagen sogar noch nach der strampelnden Figur um, aber die Finsternis hatte sie bereits wieder verschlungen. Mit so etwas macht man keine Witze, dachte er einen Moment lang. Das war immerhin ein ganz normaler Mann, kein Zombie oder ein Monster oder so was. Sekunden später erreichte der Wagen den Ausgang, wo auf die beiden Passagiere als krönender Abschluss ein Spritzer Wasser ins Gesicht – versprüht aus einer Düse – wartete.
    Prustend und lachend lagen sich Bastian und Marius wenig später in den Armen.
    »Wie war’s?«, wollte Fiona wissen.
    »Horror für Arme«, sagte Morgenstern. »Weitgehend harmlos.«

FREITAG
    Morgenstern sah schwarz. Der Eichstätter Friedhof war mit mehreren hundert Trauergästen gefüllt, die nach einem Requiem im Dom zum Gottesacker im Osten der Altstadt gewandert waren und sich nun um das Leichenhaus scharten. Das Innere der Leichenhalle, in der der Sarg aufgebahrt war, blieb Matthias Schreibers Verwandtschaft und den engeren Freunden vorbehalten. Die meisten anderen standen draußen und lauschten den Worten des Dompfarrers über Lautsprecher.
    »Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen«, hörte Morgenstern; später sang der Geistliche im Wechsel mit einer kleinen Gruppe des Domchors das Totengebet: »Wollest du, Herr, der Sünden gedenken, Herr, wer könnte bestehen?«
    Vom Türmchen der mittelalterlichen Friedhofskapelle, etwa hundert Meter von der Leichenhalle entfernt, begann nun eine Glocke zu schlagen. Der Trauerzug zum Grab setzte sich in Bewegung. Morgenstern und Hecht erkannten das Ehepaar Schreiber, das tags zuvor in frostiger Zweisamkeit das Polizeipräsidium verlassen hatte, den Eichstätter Oberbürgermeister und die Mitglieder des Jägervereins. Morgenstern nickte den Jägern zu, doch sie nahmen ihn nicht zur Kenntnis.
    Als der Sarg in die Erde gesenkt war, folgte der Aufmarsch der Vereinsvorstände. Der alte Schreiber war anscheinend in fast jedem Eichstätter Verein Mitglied gewesen, und Repräsentanten jedes einzelnen davon

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