Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
kommt, hat hier nie jemand etwas gesehen oder gehört.«
»Ich weiß wirklich nicht, was das Ganze soll«, sagte Walter Schreiber kopfschüttelnd und sah Morgenstern hilfesuchend an.
»Ich hab’s gleich, Herr Schreiber. Es gibt Familien, die der Polizei besonders viel Ärger machen. Stammkundschaft sozusagen, die sich aber in ihren Dörfern bewegt wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Das geht manchmal über Generationen hinweg. In allen Polizeidienststellen kennt man diese Namen. Und jetzt dürfen Sie genau ein Mal raten, welcher Familienname mir gerade in diesem Zusammenhang aufgefallen ist.«
Morgenstern schluckte. Der Kollege aus Freising hielt den Atem an. Hecht blieb unerbittlich. »Nun, Herr Schreiber: Wenn Sie es nicht sagen wollen, dann sage ich es eben. Kurzmüller! Diese Familie fällt genau in die Rubrik, die ich eben beschrieben habe. Der Name Kurzmüller hat hier im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen einen Klang, bei dem altgediente Polizisten aufhorchen.«
Schreiber fuhr hoch. »Ihnen geht’s wohl nicht gut! Sie reiten da auf uralten Geschichten herum und wollen meine Frau in Sippenhaft nehmen. Wissen Sie, wann es das zuletzt gegeben hat? Bei den Nazis!« Er atmete schwer und sah Hecht wütend an. Doch Hecht blieb unbeeindruckt.
»Sie müssen es schon mir überlassen, eins und eins zusammenzuzählen, Herr Schreiber. Beschreiben Sie uns doch einmal Ihre Verwandtschaft im Donaumoos!«
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun«, gab Schreiber beleidigt zurück.
»Das liegt ganz bei Ihnen. Aber Sie sollten bedenken: Es geht um bewaffneten Raub mit Geiselnahme.«
Schreiber seufzte resignierend. »Ich habe keinerlei Kontakt. Die Einzige, die mich aus der Familie Kurzmüller interessierte, ist Irmgard.«
»Und? Weiter?«, bohrte Hecht nach.
»Nichts weiter. Ich halte mich da fern. Ich hatte ziemlich bald Streit mit Irmgards Geschwistern, deshalb gehen wir uns aus dem Weg. Wie Sie ganz richtig angedeutet haben: Das sind Menschen, die man eher selten auf dem Golfplatz trifft. Nicht einmal als Greenkeeper.« Jetzt wird er wieder richtig arrogant, dachte Morgenstern.
»Sie haben Irmgard Kurzmüller also den Weg in die sogenannten besseren Kreise geebnet«, fuhr Hecht fort. »Das muss nicht automatisch heißen, dass deswegen alle Brücken abgebrochen wurden.«
Morgenstern verfolgte mit offenem Mund, wie souverän sein Kollege agierte. Hecht hatte hier zweifellos ein Heimspiel. Und einen Augenblick schien es ihm, als spielte er mit dem zunehmend verunsicherten Schreiber wie die Katze mit der Maus.
»Denken Sie doch mal zurück an das letzte große Familienfest in Karlshuld. Den runden Geburtstag der Schwiegermutter, eine Goldene Hochzeit oder so etwas. So ein Ereignis werden Sie kaum geschwänzt haben, denn so etwas nimmt man im Donaumoos übel«, griff Hecht den Faden wieder auf.
Schreiber dachte lange nach und spielte dabei gedankenverloren mit seinen weißen Golfhandschuhen. »Also gut«, sagte er schließlich. »In dieser Familie gibt es tatsächlich ein paar problematische Fälle. Schwarze Schafe, wenn Sie so wollen.« Der Möbelhausbesitzer atmete tief durch.
Als hätte er nur darauf gewartet, schob Hecht die Videokassette erneut ins Gerät. »So, und jetzt schauen wir uns den Film noch einmal in aller Ruhe an. Und Sie denken dabei an Ihre angeheiratete Verwandtschaft. Sehen Sie ganz genau hin, wie sich der Mann bewegt, wie er geht, vielleicht fallen Ihnen unter diesem neuen Blickwinkel Dinge auf, die Sie bisher übersehen haben.« Hecht drückte den Startknopf des Fernsehgeräts, und der krieselige Film lief erneut an.
Hochkonzentriert, mit zusammengepressten Lippen, starrte Schreiber auf den Bildschirm. Er ließ sich den Film noch ein weiteres Mal vorführen, dann nickte er langsam. »In der Tat. Ich habe da einen Verdacht.«
»Wer ist es?«, fragte der Freisinger Kriminalbeamte hastig.
»Jetzt sagen Sie schon den Namen«, drängte Hecht.
Schreiber sah nacheinander alle drei Ermittler an, dann sagte er: »Der Schrotthändler. Hubert Kurzmüller. Mein Schwager.«
»Und wie kommen Sie darauf?«, fragte Morgenstern.
»Die O-Beine und diese leicht schräge Kopfhaltung, das kommt mir sehr bekannt vor. Ich kann mich natürlich auch täuschen, klar.« Schreiber sah die Kommissare misstrauisch an, dann wurde sein Blick fast ängstlich. »Bleibt diese Aussage eigentlich anonym? Wenn bei den Möslern bekannt wird, dass ich meinen eigenen Schwager bei der Polizei anschwärze, bin ich
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