Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
neben ihm an die Mauer. »So viele Leute«, sagte er, »aber kein Verdächtiger.«
»Typisch Adam Schneidt«, schimpfte Morgenstern. »Unsere Überstunden sind dem völlig schnuppe.«
Die beiden Kommissare sahen sich um: Der Friedhof war jetzt fast leer. Das Ehepaar Schreiber wandte sich gerade zum Gehen, vom Leichenhaus her näherten sich zwei schwarz uniformierte Männer mit Schaufeln: die Totengräber des Bestattungsinstituts.
»Meinst du, wir sollten noch beim Leichentrunk vorbeischauen?«, fragte Hecht, verwarf den Gedanken aber gleich selbst. »Da brauchst du dich mit deinen Klamotten nicht blicken zu lassen.«
Morgenstern warf seinem Kollegen einen finsteren Blick zu, verfolgte dann aber weiter den Weg der Totengräber. Einer hatte sich inzwischen eine Zigarette angesteckt, ein deutliches Signal, dass nun im Friedhof wieder der Alltag einkehrte.
»Gehen wir!«, sagte Morgenstern und wandte sich dem Ausgang zu, der in die Altstadt führte; die Kommissare hatten am Domplatz ihr Auto geparkt. Kurz vor dem schmiedeeisernen Friedhofstor drehte er sich noch einmal zu Schreibers Grab um. Über die Reihen der Grabsteine hinweg sah er eine schwarz gekleidete Gestalt. Eine Frau.
»Wo kommt jetzt die auf einmal her?«, fragte er, wandte sich um und pirschte sich vorsichtig zwischen den Gräbern zurück. Hecht folgte ihm. Die Totengräber hatten die Frau ebenfalls bemerkt und pietätvoll Abstand gehalten.
Die Frau mochte wohl schon auf die fünfundachtzig Jahre zugehen; sie war klein und gebückt, das graue Haar hatte sie zu einem Knoten zusammengesteckt. Sie sprach anscheinend etwas in das offene Grab und warf dann, wie so viele schon vor ihr, einen Blumenstrauß hinein.
»Ein Bund Sonnenblumen«, flüsterte Morgenstern. »Ganz schön viele.«
»Aber viel billiger als die meisten anderen Blumen«, fügte Hecht gnadenlos realistisch hinzu. »Wer weiß, was sie für eine Rente bekommt?«
In diesem Augenblick hob die Frau hob den Kopf und sah Morgenstern geradewegs in die Augen. Sie nickte ihm kurz zu, spritzte noch etwas Weihwasser aus dem Kupferkessel ins Grab und ging dann mit raschen Schritten zum Ausgang Richtung Innenstadt.
»Das war es jetzt aber endgültig mit den Trauergästen«, sagte Hecht. »Fehlen nur noch wir. Ich finde, so viel Zeit muss sein.«
Beherzt ging er zum Grab, nahm den Weihwasserpinsel, besprengte Schreibers Sarg und machte ein Kreuzzeichen. Morgenstern stellte sich neben ihn, eine Hand in der Hosentasche, und blickte nachdenklich in die Tiefe. Auf dem gewiss sündteuren Eichensarg lag die Handvoll Erde, die der Pfarrer symbolisch hinabgestreut hatte.
»Asche zu Asche, Staub zu Staub«, murmelte Morgenstern. »Und so viele Blumen.«
Er sollte für Fiona auch dringend mal wieder Blumen besorgen. Hier auf dem Friedhof kamen sie nämlich deutlich zu spät, fand er und schaute auf den großen Bund Sonnenblumen, der mitten auf Schreibers Sarg gelandet war. Ein schlichter, großer Strauß, so etwas würde auch Fiona gefallen. Sinnierend starrte er in das Grab.
»Du kannst dich ja gar nicht mehr losreißen«, hörte er Hechts Stimme neben sich.
»Guck dir das mal an«, sagte Morgenstern. »Siehst du den Strauß da unten?«
»Ich bin ja nicht blind.«
»Und fällt dir daran nichts auf?«
Hecht beugte sich weit nach vorne.
»Passen S’ auf, dass Sie nicht reinfallen«, tönte eine Stimme von hinten, und Hecht zuckte so heftig zusammen, dass er tatsächlich fast das Gleichgewicht verloren hätte.
Der Totengräber mit der Zigarette war herangetreten und schaute die beiden Kommissare mit einem amüsierten Grinsen an. »Was gibt es denn da unten so Spannendes?«
Morgenstern zückte seinen Dienstausweis. »Kriminaloberkommissar Morgenstern von der Kripo Ingolstadt, das hier ist mein Kollege. Wir ermitteln im Mordfall Matthias Schreiber« – er deutete auf den Sarg – »und Sie holen uns jetzt bitte schön diesen Blumenstrauß hoch. Wäre nämlich schade, wenn Sie den einbuddeln würden.«
Der Totengräber schaute Morgenstern verständnislos an. »Ich stehle doch keine Blumen von einem Sarg!«
»Hier geht es nicht um stehlen. Ich will mir den Strauß genauer ansehen, also machen Sie schon.«
»Werner, wir brauchen eine Leiter«, rief der Totengräber seinem Kollegen zu. Der trottete zu einem Schuppen neben der Aussegnungshalle und kam wenig später mit einer kurzen hölzernen Leiter zurück. Langsam schob der Totengräber sie ins Grab, stieg hinab und kehrte mit dem Sonnenblumenstrauß
Weitere Kostenlose Bücher