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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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fügte er hinzu: »Das ist aber gar nicht fromm. Ich glaube, das muss sie beichten.«
    Er blätterte in den letzten Seiten des Anliegenbuchs. Seit Spargels Eintrag vom Dienstag hatten sich schon drei Seiten gefüllt. Argwöhnisch sah Hecht seinem Kollegen über die Schulter, der daraufhin geflissentlich den Spargel’schen Eintrag übersprang und das Buch nun zügig durchblätterte.
    » Z.W. «, murmelte Morgenstern. »Aha, da haben wir ja schon wieder einen, am 30. Juni.« Er las den kurzen Eintrag. »Nichts Besonderes. Dank für Unterstützung bei schwieriger Entscheidung.«
    Er dachte nach und blätterte dann weiter zurück. Mindestens einmal im Monat, so zeigte sich, war die kleine, gebückte Frau am Grab der heiligen Walburga gewesen und hatte ihre Bitten in das Buch eingetragen. Doch während die meisten anderen Bittsteller in ihren hoffnungsvoll vorgetragenen Wünschen sehr konkret waren – »Hilf meiner Tochter bei ihrer schweren Operation!« – war » Z.W. « vage geblieben, als wollte sie vor neugierigen Lesern auf der Hut sein. Morgenstern selbst hätte es gewiss nicht anders gemacht. Die Grundstimmung all dieser kryptischen Einträge war, wie ihm schien, eine gewisse Melancholie, teilweise auch Bitterkeit. Immerhin war den Einträgen zu entnehmen, dass im Leben der Frau ein Mensch namens T. eine zentrale Rolle spielte.
    »Der Vorname beginnt mit einem Z, der Nachname mit einem W«, sinnierte Morgenstern. »Mit ein bisschen Glück können wir ihren Namen mit einem Blick ins Eichstätter Telefonbuch klären. Die Stadt hat nur vierzehntausend Einwohner, da gibt es nicht so viele Familiennamen mit W.«
    »Dann brauchen wir bloß noch einen Frauennamen mit Z«, stimmte Hecht zu.
    »Z wie Zita«, schlug Morgenstern vor. »Oder Zenta oder Zarah oder Zora?«
    Hecht schüttelte den Kopf. »Zarah heißen vielleicht alte Damen in Berlin in Anlehnung an Zarah Leander, und Zora ist völliger Quatsch. In Eichstätt tippe ich eher auf Zensi, der Klassiker bei Kellnerinnen.«
    »Zensi?«, fragte Morgenstern.
    »Die Kurzform von Kreszentia.«
    Morgenstern beschloss, das zügig zu überprüfen. Nachdenklich wandte er sich vom Anliegenbuch ab und studierte noch einmal die zahllosen Votivtafeln an den Wänden der Kapelle. In einem hölzernen Kästchen mit Glasfront waren uralte menschliche Backenzähne aufgereiht, die ihren Besitzern zur Barockzeit wohl höllische Schmerzen bereitet hatten, daneben fanden sich aus Wachs geformte Gliedmaßen, etwa drei Zentimeter lang, vor allem Beine, symbolische Geschenke für die Heilung erkrankter Körperteile.
    »Was bin ich froh, dass ich im 21. Jahrhundert leben darf!«, sagte er zu Hecht und zeigte ihm die seltsame Sammlung.
    In der winzigen Vitrine entdeckte er außerdem verschiedene verrostete Metall-Kleinteile: das Vorderteil einer Gabel, ein Stück von einem Messer, ein kleiner Batzen Blei, der wahrscheinlich einmal eine Gewehrkugel gewesen war und in einem armen Menschen gesteckt hatte. All diese Dinge hatten dankbare Gläubige der heiligen Walburga gewidmet.
    Morgensterns Blick blieb an einer hölzernen Tafel hängen, auf die klein, aber unübersehbar, ein Hakenkreuz in einem Kranz aus Eichenlaub gemalt war. »Dem tapferen Kämpfer in Not und Gefahr Walburga die größte Retterin war«, las er laut vor, dazu die Jahreszahlen 1940 bis 1945. Ihn fröstelte.
    Er warf einen letzten Blick auf das Buch, in dem Hecht bis zuletzt grübelnd geblättert hatte, dann verließen sie die Kapelle und traten hinaus auf den Platz vor dem Kloster.
    »In diesem Buch steckt ein wichtiger Hinweis«, sagte Hecht, als sie in der Sonne standen. »Aber die Einträge, die sie seit letzten Mai geschrieben hat, sagen zu wenig aus. Wir brauchen die Vorgängerbücher, um herauszufinden, was es mit dieser sonderbaren Frau auf sich hat.«
    »Und wer hat die alten Bücher? Hebt die der Pfarrer von St. Walburg auf?«, fragte Morgenstern. »Oder werden sie weggeworfen?«
    »Nie im Leben«, entrüstete sich Hecht. »Ich bin sicher, dass sie im Kloster aufbewahrt werden, wahrscheinlich über Jahrhunderte.«
    »Die letzten paar Jahre würden reichen«, meinte Morgenstern und setzte sich in Bewegung. »Wir lassen uns die Dinger jetzt geben, dann können wir sie heute noch durchsehen.«
    Gefolgt von Hecht trat er durch eine Tür, neben der »Pforte« stand, und fand sich in einem breiten, mit hellgelbem Kalkstein gefliesten Flur wieder. Rechts hingen Farbfotos, die das Leben im Kloster dokumentierten, links war

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