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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Jeder Mensch ist sein eigener Gärtner, das wollen Sie doch sagen?«
    »Stimmt genau«, nickte die Äbtissin. Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Lassen Sie uns weitersuchen«, sagte sie schließlich.
    Doch von » Z.W. « war nichts zu lesen, obwohl Morgenstern sehr gewissenhaft blätterte. Er sah zur Äbtissin hinüber. Sie durchforstete konzentriert das Buch aus dem Jahr 1945. Sie hatte von hinten, also am Jahresende, begonnen, und schon nach kurzer Zeit fand sie einen Eintrag.
    »Ich habe sie«, sagte sie, und es klang fast triumphierend. »Schon damals derselbe Tenor«, fasste sie den Eintrag zusammen. »›Schmerzlicher Verlust‹ – ›Nicht vergessen, nicht vergeben‹.«
    »Bitte blättern Sie weiter«, forderte Morgenstern, und die Äbtissin wunderte sich kein bisschen über den forschen Ton, sondern arbeitete sich gespannt weiter nach vorne. Morgenstern hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl, er drängte sich neben die Äbtissin, und schließlich stießen sie fast gleichzeitig auf den ersten Eintrag von Z.W. Er stammte von Ende August 1945, natürlich der Herz-Jesu-Freitag.
    Murmelnd las die Äbtissin vor: »Heilige Walburga! Ich komme zu dir in meiner Not, denn du bist die Einzige, die mir in dieser Stadt Hilfe und Trost gibt. Ich habe alles verloren, was mir lieb war, und nur du allein sollst wissen, wie sehr ich leide. Lindere meinen Schmerz, mache mich stark, schütze das Kind in meinem Schoß und gib mir die Kraft, meinen Weg bis zum bitteren Ende zu gehen. Z.W. «
    Morgenstern und die Äbtissin sahen sich an. »Sie war also schwanger«, sagte Morgenstern schließlich.
    Es klopfte an der Tür, und eine kleine, vom Alter gebeugte Benediktinerin kam mit einem Tablett herein. »Hier ist der Kaffee«, sagte sie und stellte das Tablett ab. »Und zwei Nusshörnchen. Ganz frisch gebacken.« Neugierig kam sie näher und warf einen Blick auf die Bücher, die auf der großen eichenen Tischplatte ausgebreitet lagen. »Die alten Anliegenbücher«, stellte sie fest. »Oben aus dem Schrank im Gang unserer Klausur.«
    »Ja, Schwester Seraphina. Der Herr Kommissar sucht nach einer Frau, die sich schon seit über sechzig Jahren an jedem Herz-Jesu-Freitag in der Gruft ins Buch einträgt.« Die Äbtissin deutete auf die kleine Nonne. »Darf ich vorstellen, Herr Morgenstern. Das ist unsere Schwester Seraphina. Eine ganz treue Seele.«
    »Seit wann genau schreibt diese Frau, Ehrwürdige Mutter?«, wollte die Nonne wissen.
    »Seit 1945. Seit August 1945. Sie ist eine große Verehrerin unserer heiligen Walburga.«
    »1945«, nickte Schwester Seraphina. »Kurz nach Kriegsende. Ich erinnere mich noch gut, wie das damals war in Eichstätt.«
    »Waren Sie zu der Zeit schon hier im Kloster eingesperrt?«, fragte Morgenstern und biss sich augenblicklich auf die Zunge.
    Die betagte Schwester schüttelte den Kopf. »Niemand ist hier eingesperrt, wir sind alle gern hierhergekommen. St. Walburg ist unsere Heimat, hier leben wir, hier sterben wir, hier im kleinen Friedhof in unserem Klostergarten finden wir unsere letzte Ruhe.«
    »Und wie war das damals am Kriegsende in Eichstätt?«, hakte Morgenstern nach.
    Die Schwester nahm sich einen Stuhl und setzte sich an den Tisch. »Wir waren damals ein großer Konvent, und wir hatten beste Beziehungen nach England und Amerika. St. Walburg hat dort einige Tochterklöster.«
    »Klosterfilialen also?«
    »Sozusagen. Unsere damalige Äbtissin Benedicta hielt auch in den Kriegsjahren die Verbindung zu unseren Mitschwestern aufrecht. Auf diesem Weg hatte sie am Ende auch Kontakt zu den amerikanischen Truppen, die von Norden her auf Eichstätt zumarschierten, damals im April.«
    Morgenstern hörte der kleinen Nonne gebannt zu.
    »Oben auf der Willibaldsburg saß die SS und hatte sich mit schweren Geschützen verschanzt«, fuhr sie fort. »Und die Amerikaner hatten bereits beschlossen, die Stadt wegen der SS zu bombardieren. Da hat sich unsere Ehrwürdige Mutter Benedicta eingeschaltet und die Bombardierung verhindert. Fragen Sie mich nicht, wie ihr das gelungen ist. Jedenfalls ist die SS ohne Blutvergießen abgezogen, die Eichstätter haben die weiße Fahne am Rathaus rausgehängt, und schon kamen die Amerikaner mit ihren Panzern in die Stadt gefahren. In endloser Kolonne durch die Westenstraße.«
    Die alte Frau schloss wieder die Augen. »Ich war damals noch Novizin. Fünfundzwanzig Jahre alt. Wir haben von den vergitterten Fenstern unseres Klosters auf die Westenstraße geschaut und gesehen,

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