Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
Treppe zu seiner Wohnung hochstürmte.
»Fiona, ich hab den Namen rausgebracht«, rief er in die Küche. »Fiona?«
»Hier bin ich, im Schlafzimmer«, rief sie zurück.
Morgenstern fand sie vor dem großen Kleiderschrank. Auf dem Bett hatte sie einen Stapel aus T-Shirts, Blusen, Jeans und Bikinis aufgetürmt. Die Reisetasche stand daneben. Es wurde also ernst. Morgenstern schluckte.
»Wer bekommt jetzt das zweite Erwachsenenticket?«, fragte er vorsichtig.
»Niemand. Ich habe zwei Freundinnen in Nürnberg angerufen, aber so kurzfristig kann keine weg. Vielleicht kann ich dein Ticket ja direkt am Flughafen in München verkaufen, als privates Last-Minute-Angebot für irgendeinen spontanen Rucksackreisenden.«
Morgenstern seufzte, dann streckte er Fiona den Blumenstrauß entgegen. »Schau mal, den habe ich gerade für dich auf dem Wochenmarkt gekauft«, sagte er und riss jetzt erst ungeschickt die Verpackung aus Zeitungspapier ab.
Fiona blickte Morgenstern an, dann nahm sie den Strauß, betrachtete ihn ein Weilchen, legte ihn zur Seite und gab ihrem Mann einen langen Kuss. Blumen funktionieren immer, das sollte man als Mann nie vergessen, dachte Morgenstern erleichtert.
Wenig später blätterte er im Eichstätter Telefonbuch: ein dünnes Heftchen, das nur die Teilnehmer der Stadt Eichstätt und ein gutes Dutzend umliegender Gemeinden enthielt. Fiona, die er knapp über seine neuesten Erkenntnisse informiert hatte, stand neben ihm.
»Da ist sie«, sagte sie und deutete auf die Spalte, »Zinsmeister, Walburga, Frauenberg 87.«
»Ich würde am liebsten gleich hingehen«, überlegte Morgenstern. »Ich muss wissen, was es mit ihr und dem alten Schreiber auf sich hat.«
»Mike, es ist Samstagmittag. Dein Eifer in allen Ehren, aber meinetwegen kannst du ruhig bis Montag warten. Die Türkei kannst du dir so oder so abschminken.« Fiona zögerte kurz, dann räumte sie ein: »War eine blöde Idee von mir, dich so unter Druck zu setzen. Schwamm drüber. Aber du musst mir versprechen, dass du dich nicht nur von Fast Food ernährst – und in den Pub solltest du auch nicht jeden Abend gehen. Das tut dir nicht gut.«
»Danke für den Rat«, sagte Morgenstern spitz. »Ich werde versuchen, ihn zu beherzigen.« Vor seinem geistigen Auge sah er sich schon Abend für Abend vor dem Fernseher versumpfen, ganz allein mit einer Flasche Wein, einer Tüte Chips und einer Riesenportion gähnender Langeweile.
»Du musst aber nicht die ganze Zeit vor der Glotze abhängen, sondern könntest auch mal wieder zum Joggen gehen«, hielt Fiona dagegen. Wieder einmal schien sie seine Gedanken gelesen zu haben; allmählich wurde sie Morgenstern unheimlich. »Erinnerst du dich noch an deinen Halbmarathon in Nürnberg? Heute würdest du keine fünf Kilometer schaffen.«
In der Tat hatte Morgenstern vor einiger Zeit in der Altersgruppe »40 plus« sein Debüt als Langstreckenläufer gegeben, es anschließend aber dabei bewenden lassen. Andere Läufer, darunter auch einige Polizeikollegen, waren regelrecht süchtig nach dem täglichen Endorphinkick geworden, hatten sich bis zur Marathonstrecke vorgearbeitet. Morgenstern hingegen reichte der einmalige Beweis seiner Willenskraft vollauf.
Na gut, vielleicht würde er seinem inneren Schweinehund in der kommenden Woche den Kampf ansagen und eine Runde Dauerlauf riskieren, dachte er. Nicht dass er eines nahen Tages sportlich nicht mehr mit seinen Söhnen mithalten könnte. Insbesondere Marius hängte ihn bei Radtouren jetzt schon gelegentlich ab. Und bei Bastian war das auch nur noch eine Frage der Zeit. Die Burschen waren fit, gar kein Zweifel, dachte er stolz, und dabei fiel ihm Jonas ein, der junge Klettertrainer, den er am Tresen im Pub kennengelernt hatte. Ein guter Aufhänger, um von seinen angeblichen sportlichen Unzulänglichkeiten abzulenken.
»Du, ich hab neulich mit einem Typen gesprochen, der beim Alpenverein Kletterkurse für Kinder und Jugendliche in der Halle anbietet.«
»Und?«
»Wir könnten ja unsere Jungs bei ihm anmelden. Das würde ihnen bestimmt Spaß machen.«
»Könnte ich mir vorstellen«, meinte Fiona. »Ist der Mann sympathisch? Wie heißt er denn?«
»Der ist okay. So ein lässiger junger Kerl mit Rastalocken, Marke Bob-Marley-Verschnitt.«
»Ich denke, das hat Zeit bis nach unserem Urlaub. Aber grundsätzlich bin ich dafür. Solange er unseren Kindern nicht das Kiffen beibringt.«
»Gut, nach dem Urlaub. Ich werde jetzt bei dieser Frau Zinsmeister vorbeischauen,
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