Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
Verbitterung, die darin zu spüren war. Gott sei Dank hatte er seine Fiona – und für die war der üppigste Blumenstrauß jetzt gerade gut genug.
Eine Gemüsehändlerin in grüner Schürze bot selbst gebundene Bauernsträuße an, die in mit Wasser gefüllten Blecheimern steckten, außerdem hatte sie noch einige wenige Sonnenblumen im Angebot. Morgenstern suchte den schönsten Strauß aus, begutachtete ihn von allen Seiten und wandte sich an die Verkäuferin. »Was kostet der?«
»Für Sie heute sechs Euro«, sagte sie – und gab damit genau die Summe wieder, die Morgenstern zuvor schon auf einem weißen Plastikschildchen entziffert hatte. »Die Eichstätter Männer sind halt Kavaliere.« Die Blumenhändlerin nahm den Strauß und wickelte ihn in einige Bogen einer alten Ausgabe des Eichstätter Kurier ein.
»Sind Sie aus Eichstätt?«, fragte Morgenstern, um die Wartezeit zu überbrücken.
»Nein, aus Marienstein.«
Morgenstern brauchte einen Moment, bis er verstand. »Aber Marienstein, das ist doch Eichstätt«, sagte er.
»Nein, nein. Wir gehören bloß formal zu Eichstätt, seit der Eingemeindung 1972. Das ist ein großer Unterschied für uns Einheimische.«
Morgenstern schüttelte den Kopf über diese Engstirnigkeit. Immerhin waren Eichstätt und Marienstein längst zusammengewachsen. Wahrscheinlich wussten nur noch Vermessungsbeamte, wo genau die alte Stadtgrenze verlief. Er sah die etwa fünfundsechzigjährige Blumenverkäuferin nachdenklich an.
»Sagen Sie, kennen Sie eigentlich alle Ihre Kunden?«, fragte er einer plötzlichen Eingebung folgend. »Ich meine jetzt insbesondere die Älteren?«
»Die allermeisten ja. Ich stehe hier schon seit 1973 mit meinem Stand. Sommer und Winter, bei Regen und Sonnenschein, ob es stürmt oder schneit. Jeden Mittwoch und jeden Samstag von sieben Uhr bis ein Uhr.« Sie drückte Morgenstern den eingewickelten Blumenstrauß in die Hand und nahm seinen Zehn-Euro-Schein entgegen.
»Hat neulich vielleicht eine alte Dame, deutlich über achtzig Jahre alt, bei Ihnen einen großen Sonnenblumenstrauß gekauft? Eine kleine, gebückte alte Frau. Das müsste am Mittwoch gewesen sein.« Er schaute die Frau gespannt an.
Die Blumenhändlerin überlegte kurz, dann sagte sie: »Ein großer Strauß Sonnenblumen? Ja, ich erinnere mich. Das war gleich am Morgen. Sie war meine erste Kundin.«
»Kennen Sie die Frau?«, drängelte Morgenstern.
Die Blumenhändlerin nickte. »Sie kommt immer wieder mal. Aber Blumen hat sie bei mir zum ersten Mal gekauft. Sonst kauft sie immer bloß gelbe Rüben oder Kohlrabi. Oder eine Knolle Rote Bete. Einfache Sachen. Sie muss wohl ihren Sparstrumpf zusammenhalten.«
»Und wissen Sie … wissen Sie, wie sie heißt?«, fragte Morgenstern und hielt die Luft an. Heiliger fünfzehnter Nothelfer, wer immer du bist, jetzt ist dein Typ gefragt, dachte er. Gib mir einen Nachnamen mit W und einen Vornamen mit Z!
»Schon«, sagte die Blumenhändlerin. »Zinsmeister heißt sie. Das ist die Zinsmeister Wally.«
Morgenstern starrte die Blumenhändlerin an. Zinsmeister! Wally! Z.W. Das war sie! Der Vorname mit W und der Nachname mit Z. Er schlug sich innerlich gegen die Stirn. Natürlich, das war doch typisch hier in den eher ländlichen Gebieten. Ganz selbstverständlich wurde erst der Familienname genannt und dann erst der Vorname. Deshalb hatte er am Abend zuvor vergeblich im örtlichen Telefonbuch geblättert.
»Da hätten wir ja noch lange nach einer Zenta oder Zita oder Zensi suchen können«, murmelte er, was ihm einen verständnislosen Blick der Blumenfrau einbrachte. Morgenstern legte den Blumenstrauß zur Seite, holte seinen Block aus der Tasche und schrieb sich den Namen auf.
»Wally? Das bedeutet Walburga, oder?« Die Händlerin nickte. »Und Zinsmeister wie Zins und Zinseszins?«
»Genau. Das ist hier in der Gegend ein geläufiger Name.«
»Wissen Sie zufällig, wo sie wohnt?«
»Nein, da muss ich passen.«
»Macht nichts, das kriege ich schon raus«, sagte Morgenstern zuversichtlich, nahm seinen Blumenstrauß, bedankte sich kurz und eilte nach Hause.
»Halt, Sie kriegen noch Wechselgeld von mir, Ihre vier Euro«, rief ihm die Blumenhändlerin hinterher.
»Schenk ich Ihnen«, rief er über die Schulter zurück. »Informationshonorar!«
Ratlos blickte ihm die Blumenfrau nach, dann murmelte sie: »Die Eichstätter Männer sind halt Kavaliere.«
Es war fast Mittag, als Morgenstern nach Hause kam und, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die
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