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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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halten können. Hecht signalisierte dem Helfer an der Rampe mit einer knappen Handbewegung, dass sie aussteigen wollten, und wenig später hielt der »Orion« sanft an.
    Morgenstern war erleichtert, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Mit weichen Knien ging er zum Kassenhäuschen, um die Rechnung zu begleichen.
    »Ich hätte nie gedacht, dass jemand die Aussicht hier für so spannend hält«, sagte der Betreiber. »Schade, dass der Volksfestplatz nicht näher an der Altstadt liegt.«
    »Es war quasi eine Dienstfahrt«, sagte Morgenstern ohne weitere Erläuterung und ließ sich eine Quittung ausstellen.
    »Wenn Sie meinen«, brummte der Chef des »Orion« und reichte ihm den Zettel. »Bin mal gespannt, was Ihr Finanzamt dazu sagt. Machen Sie sich lieber keine allzu großen Hoffnungen.«
    »Was machen wir jetzt mit Ihnen?«, fragte Morgenstern, als er wieder bei Walburga Zinsmeister und Hecht angekommen war. Er nahm es der alten Frau nicht ab, dass sie selbst so präzise geschossen hatte. Er glaubte nicht einmal, dass sie überhaupt mit einem Gewehr umgehen konnte. Und er sah seinem nachdenklich dreinblickenden Kollegen an, dass es ihm genauso ging.
    »Wir bringen Sie zur Polizeiinspektion hier ganz in der Nähe«, entschied Hecht. »Und ich denke, wir sollten dringend Ihren Sohn informieren.«
    Die alte Frau nickte geistesabwesend, dann ging sie erhobenen Hauptes, flankiert von den beiden Kriminalbeamten, durch die Budengasse mit ihren Bratwurst- und Pizzaständen, Losbuden und Fahrgeschäften quer über den Volksfestplatz. Sie kamen an einem Spiegellabyrinth vorbei, und Morgenstern sah, wie sich mehrere Kinder in den verwinkelten Gängen hoffnungslos verfransten. Einige lachten noch, ein Jugendlicher aber schien schon der Verzweiflung nahe, als er mit voller Wucht gegen eine der dicken Glasscheiben lief.
    Kaum zu glauben, dass man sich auf ein paar Quadratmetern dermaßen verirren konnte, dachte Morgenstern. Es müsste doch ein Leichtes sein, mit ein bisschen Konzentration aus dem lächerlich kleinen Labyrinth herauszufinden. Man musste sich doch nur einprägen, welche Wege man schon gegangen war, welche Abzweigungen in eine Sackgasse führten. Am Schluss blieb dann automatisch die richtige Strecke zum Ziel übrig, oder etwa nicht? Oder stieß man sich immer dann, wenn die Route besonders klar schien, die Nase an einer blitzblanken Scheibe blutig?
    »Manchmal komme ich mir vor wie die da drinnen«, sagte er leise zu Hecht und deutete auf das Labyrinth.
    Hecht schüttelte den Kopf. »Du hast doch mich. Und Frau Zinsmeister. Wir sind ganz kurz vor dem Ausgang.«
    Eines der Kinder zwischen den Spiegelwänden setzte sich auf den Boden und begann zu weinen.
    * * *
    Gottfried Zinsmeister war zu Hause in Landershofen, als Morgenstern ihn anrief und in die Inspektion bestellte.
    Zehn Minuten später betrat ein etwa fünfundsechzigjähriger, leicht verschwitzter hochgewachsener Mann mit hageren Zügen und grauen Haaren die Inspektion. Morgenstern und Hecht brachten ihn in einen Besprechungsraum, um ihn ohne seine Mutter über die Erkenntnisse der letzten Stunde zu informieren.
    »Das wird jetzt nicht leicht für Sie werden«, kündigte Morgenstern an, als Zinsmeister vor ihnen auf einem einfachen Stuhl Platz genommen hatte. Und für uns auch nicht, dachte er. Es kam ihm fast vor, als müsste er eine Todesnachricht überbringen. Und in gewissem Sinne war es ja auch so.
    Gottfried Zinsmeister war fassungslos, als ihm erklärt wurde, wer sein Vater gewesen war, was mit ihm geschehen war und warum sich seine Mutter nun in der Polizeiinspektion befand. Blass und ernst saß er auf seinem Stuhl, dann verlangte und bekam er ein Glas Wasser.
    »Das ist jetzt alles zu viel für mich«, murmelte er.
    »Haben Sie denn nie Nachforschungen angestellt, wer Ihr Vater sein könnte?«, fragte Hecht.
    Zinsmeister schüttelte den Kopf. »Meine Mutter wollte es mir nie sagen, und ich habe das irgendwann akzeptiert.«
    »Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Mutter mit einem alten Gewehr schießt, und zwar so gut, dass sie mit einem einzigen Schuss einen weit entfernten Mann tödlich trifft?«, fragte Hecht.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Zinsmeister. »Sie hat wohl mehr Geheimnisse, als ich ahnte, und sie hat sie immer gut bewahrt. Ich frage mich, was ich überhaupt über sie weiß. Und ich kann mir nicht erklären, warum sie nicht einfach aus Eichstätt weggezogen ist, um anderswo ein neues Leben anzufangen. Wir wären

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