Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
überall glücklicher geworden als hier.« Er zögerte kurz. »Was wollen Sie jetzt mit meiner Mutter machen? Werden Sie sie einsperren?«
    »Wir warten noch auf Anweisungen«, sagte Hecht vage. »Immerhin hat Ihre Mutter ein Geständnis abgelegt, das müssen wir überprüfen.«
    Wenig später wurde er ans Telefon gerufen; als er zurückkam, sagte er: »Wir werden Ihre Mutter noch einmal gründlich vernehmen und sie dann nach Hause bringen. Es besteht keine Fluchtgefahr, außerdem ist das nächste Frauengefängnis in Aichach bei Augsburg. Wir werden sie aber nicht allein lassen. Alles Weitere wird am Montag entschieden.«
    »Erst am Montag«, seufzte Morgenstern. »Die haben vielleicht Nerven. Wer bleibt bei Frau Zinsmeister?«
    »Sie schicken zwei Polizeibeamtinnen raus. Sie sind schon unterwegs.«
    Gottfried Zinsmeister durfte kurz zu seiner Mutter ins Vernehmungszimmer, wo sie stocksteif vor einer unberührten Tasse Kaffee saß. Morgenstern sah von der Tür aus zu, wie Zinsmeister sie unbeholfen in den Arm nahm und leise mit ihr sprach. Er weinte. Dann drehte er sich abrupt um und ging, ohne sich noch einmal umzusehen, aus dem Zimmer. Noch immer liefen ihm Tränen über die Wangen.
    * * *
    Walburga Zinsmeister präzisierte bei der Vernehmung ihre Angaben. Sie habe am Sonntagabend das Gewehr aus dem Versteck geholt, es mit Nähmaschinenöl gefettet, geladen und sei dann von ihrem Haus unbemerkt damit über den ganzen Frauenberg gelaufen, etwa zwei Kilometer bis zum Jägerstand von Matthias Schreiber. Dort habe sie sich im Gebüsch versteckt, auf ihn gewartet und ihn kurz nach der Ankunft erschossen.
    »Wann war das genau?«, fragte Morgenstern.
    »Etwa um einundzwanzig Uhr.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja. Einundzwanzig Uhr«, wiederholte Walburga Zinsmeister. Morgenstern nickte Hecht wissend zu. Der notierte die Uhrzeit und schüttelte dabei leicht den Kopf. Matthias Schreiber war erst gegen dreiundzwanzig Uhr erschossen worden.
    Und das Gewehr? Die alte Frau hatte lange überlegt und dann erklärt, das müsse sie wohl in der anschließenden Aufregung weggeworfen haben. Sie wisse nicht mehr, wo.
    »Frau Zinsmeister, die Sache ist jetzt über sechzig Jahre her. Warum haben Sie Matthias Schreiber nicht schon vor vielen Jahren erschossen, warum nicht gleich nach dem Krieg?«, fragte Hecht.
    »Ich habe nicht den Mut aufgebracht«, sagte die alte Frau. »Aber nun habe ich gespürt, dass die Zeit knapp wird. Ich hätte es nicht ertragen, dass Schreiber eines Tages friedlich in seinem Bett stirbt.«
    Hecht und Morgenstern schickten sie mit den beiden inzwischen in Eichstätt angekommenen Polizeibeamtinnen nach Hause. »Ich schaue morgen früh bei Ihnen vorbei«, kündigte Morgenstern an. Den Bewacherinnen schärfte er ein, gut aufzupassen und ihn im Notfall sofort über Handy zu informieren.
    »Wir können nicht ausschließen, dass sie sich etwas antut«, flüsterte er ihnen zu. »Auch wenn das nicht mit ihrem katholischen Glauben vereinbar ist. Also Augen auf!« Er stand schon in der Tür und wollte gerade gehen, da fiel ihm noch etwas ein. Mit erhobenem Finger wandte er sich an die Beamtinnen. »Noch etwas: Essen Sie auf keinen Fall die Blutwurst.«
    Grübelnd machte sich Morgenstern auf den kurzen Weg nach Hause. Als er mit seinem Landrover über die Spitalbrücke fuhr, befiel ihn ein Unbehagen, wie er es lange schon nicht mehr gespürt hatte. Eine Mischung aus Bedrückung, Traurigkeit und sonderbarerweise auch Angst, und er trat aufs Gaspedal, um die gepflasterte Brücke und die Altmühl so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Im Rückspiegel sah er den Turm der Spitalkirche, der neben der Brücke hoch aufragte, und dahinter, in der Ferne, die Willibaldsburg. Immer noch mit überhöhter Geschwindigkeit umrundete er den riesigen Residenzplatz, ein barockes Wunderwerk der Architektur, dessen weite gepflasterte Fläche aber menschenleer war, weil es ringsum keine Cafés oder Restaurants gab, sondern hier nur Behörden ihren Sitz hatten. Unmittelbar im Anschluss kam der Leonrodplatz, geprägt von der gigantischen Prachtfassade der Schutzengelkirche mit ihrem nach hinten versetzten Turm. Der Leonrodplatz! Der Platz, an dem Henning und die anderen als Saboteure gehängt worden waren.
    Morgenstern trat auf die Bremse und bog so abrupt auf den Platz ein, dass ein nachfolgender Autofahrer wild hupte und gestikulierte. Hundertmal schon war er über diesen Platz gefahren oder gelaufen. Ein Brunnen mit einem großen

Weitere Kostenlose Bücher