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Wald aus Glas: Roman (German Edition)

Wald aus Glas: Roman (German Edition)

Titel: Wald aus Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schertenleib
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sich Ayfer, niemals, vorher bring ich mich um.
    Als der Fahrer der Reisegruppe das Foyer betrat, waren die Alten nicht länger zu halten; sie strömten durch die Glastür des Hotels in die Hitze hinaus, schnatternd wie Kinder auf der Schulreise. Yeter trat hinter der Rezeption vor, warf Ayfer einen Kontrollblick zu und ging dann mit dem Leiter der Gruppe nach draußen, um sich zu verabschieden. Ayfer wartete nicht ab, bis der Iraner anfing, das Gepäck zum Bus zu karren; sie nahm ihre Tasche und schlüpfte ins Hinterzimmer neben dem Empfang, in dem Yeter Büromaterial aufbewahrte und in dem das Porträt von lider Erdogan in einem Goldrahmen über dem Schreibtisch an der Wand hing. Das Fenster dieses Zimmers wies auf den Parkplatz hinaus; wenn sie sich beeilte, war sie vor dem Fahrer beim Reisebus, dessen Türen genauso offen standen wie die Gepäckfächer unter den Fensterreihen auf beiden Seiten. In einem dieser Fächer würde sie sich verkriechen, um von hier wegzukommen.
    Ayfer öffnete das Fenster, sprang hinaus und lief los.

AUF DEM WEG

1
    Sie blieben auf Nebenstraßen und Feldwegen und begegneten kaum anderen Autos. Die Weiler und Dörfer, durch die sie fuhren, lagen ausgestorben in der Dunkelheit. Roberta sah streunende Hunde, einen Fuchs zwischen Wohnhäusern, einen Dachs, Katzen, die vor ihnen flohen, Kühe und Rinder, die sich aneinanderdrängten und ihre Schädel ins Licht ihrer Scheinwerfer hoben.
    Einmal kreuzten sie einen Mann auf einem Mofa, er trug Lederjacke und Hut und starrte stur geradeaus. Nahm er sie überhaupt wahr? Prinz saß neben ihr, sah aufmerksam in die Nacht hinaus und warf ihr gelegentlich einen Blick zu. Was sprach aus den Hundeaugen? Traurigkeit, Dankbarkeit? Als Roberta mit ruhiger Stimme anfing, mit ihm zu reden, legte er sich auf den Sitz, den Kopf zwischen den Pfoten, und seufzte. Sie hatte von Anfang an mit ihm geredet, genau wie sie als Kind mit dem Pferd des Stiefvaters geredet hatte. In der ersten Zeit hatte Prinz sie misstrauisch angesehen, wenn sie das Wort an ihn richtete, und darauf geachtet, eine gewisse Distanz zu ihr zu behalten, als sei es nötig, fliehen zu können, da die Sätze vielleicht eine Einleitung waren zu etwas anderem, Gefährlichem. Doch nach einer Weile war er in ihre Nähe gerückt, sobald sie mit ihm redete, und hatte sie ab und zu bestätigend angeguckt, als wolle er ihr zu verstehen geben,sie solle nur ja nicht aufhören, ihm zu erzählen, was ihr durch den Kopf ging.
    Eine Antwort erwartete sie nicht, schließlich war sie nicht verrückt, aber sie war überzeugt, dass Prinz sie in gewisser Weise verstand, indem er begriff, dass sie nicht nur ihr Leben mit ihm teilte, sondern auch ihre Gefühlswelt. Außerdem wusste sie, dass ihre Stimme dem Hund die beruhigende Gewissheit gab, dass für ihn gesorgt wurde und dass er in Sicherheit war, genauso wie ihn ihre Stimme verängstigte, wenn sie mit ihm schimpfte.
    Als sie Prinz das nächste Mal ansah, war er eingeschlafen, die Pfoten neben den Ohren, als habe er genug von ihrem Gerede. Er jaulte im Schlaf und zuckte am ganzen Körper. In Sihlbrugg mussten sie für eine kurze Strecke auf die Hauptstraße; die Autohäuser, Garagen, Lagerhallen und Tankstellen, an denen sie vorbeifuhren, waren in kaltes Licht getaucht. An einer Zapfsäule stand ein Auto mit offener Fahrertür, ein Mann beugte sich über die Motorhaube, ein Handy am Ohr, auf der Gegenspur kamen ihnen drei Lastwagen mit gleichem Firmenlogo entgegen. Roberta bog auf die Straße, die der Sihl entlang in den Talkessel hinein- und auf den Hirzelpass hinaufführt. Sie drehte das Fenster nach unten und streckte den Kopf ins Freie; die kühle Nachtluft roch nach dem Fluss, der zwischen den Bäumen glitzerte. Nach etwa drei Kilometern bog sie auf eine Forststraße und lenkte den Lieferwagen in den Wald hinein. Bäume wölbten sich schützend über sie, Zweige kratzten über ihr Dach; es war, als fahre sie in einen Tunnel. Sie trat auf die Bremse und sah den roten Widerschein der Bremslichter im Rückspiegel aufglimmen. Prinz erwachte, setzte sich hin und stupste sie mit der Schnauze an.
    »Brav«, sagte sie, »wir sind da.«
    Sie machte das Licht aus, dann den Motor, strich Prinz über den Kopf, stieß die Tür auf und stieg aus. Den Schlüssel ließ sie im Zündschloss stecken. Prinz sprang ihr sofort hinterher und drängte sich ungeduldig an sie. Der Wald war schwarz, der Himmel pflaumenfarben und ohne Stern. Es roch nach Gülle. Die wenigen Lichter,

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