Wald
Was ist, wenn sie nun auf der Drachenjagd sterben?
Wäre es nicht trotz allem besser, wenn sie vorher um seine Liebe weiß?
Lautes Stiefelgepolter schrickt ihn aus seinen Grübbeleien auf.
»Ach, da bist Du ja, Envin! Anstatt sich auf den Kampf vorzubereiten, vergnügt Er sich mit meiner Braut.«
Der Narr folgt Sidus, der mit beiden Händen seinen Gürtel festhält, während er mit breiten Schritten auf Envin zu stolziert. Am Rande der Kirchenbänke, genau zwischen seinem Bruder und seiner Verlobten, bleibt er stehen, sieht Envin mit einem müden Lächeln an, dann blickt er zu Llyle und verbeugt sich. Dabei fällt sein Blick auf das Papier, das er sogleich aufhebt.
»Was ist das? Hast Du das gezeichnet, Envin. Habe ich dir nicht bereits gesagt, dass Du kein Talent besitzt? Sieh dir doch nur mal dieses Bild an. Die Dame auf dem Pferd ist die Komtess, das erkennt man sofort --- aber der mutige Ritter zu Ihren Füßen. Sei doch mal ehrlich ---«
Sidus winkt den Narren zu sich herüber, der gerade damit beschäftigt ist, mit den Kerzen, die eben noch auf dem Altar gestanden haben, zu jonglieren.
»Sehe Er sich das an, Hofnarr! Erkennt Er dort etwa die geringste die Ähnlichkeit mit mir?«
»Nein, natürlich nicht. Eure Nase ist viel dicker, in Wirklichkeit sieht sie eher wie eine Knolle aus und ---«
Sidus reißt ihm das Pergament aus der Hand.
»Schweig, Narr!«
Sidus mäßigt seine Stimme und wendet sich wieder zur Komtess.
»Ich werde es für Euch zerstören meine Liebste, dann braucht es Euch nicht weiter belasten.«
Sidus nimmt das Pergament in beide Hände und setzt an es zu zerreißen. Envin sieht erschrocken auf, doch die Schimpfworte, die er ausrufen will, blieben ihm allesamt im Hals stecken.
Schließlich ist es Llyle, die aufsteht und nach dem Bild greift, das nun zwischen ihr und ihrem zukünftigen Ehemann in der Luft gespannt hängt. Weder er noch sie wollen es loslassen. Der Narr steigt unbemerkt auf den Altartisch und setzt pfeifend seine Jonglage mit drei brennenden Kerzen fort.
»Lasst es gut sein, Sidus. Euer Bruder wollte mir nur einen Gefallen tun. Ich bat ihn, dieses Bild von Euch anzufertigen, damit ich es immer an meinem Herzen tragen kann, während Ihr durch die Wälder zieht. Da ich wusste, dass Envin eine Begabung für das Zeichnen besitzt, fragte ich ihn ---«
»Er soll sich seine Begabungen besser für die Drachenjagd aufheben!«
Sidus zieht so stark an dem Papier, bis es in der Mitte entzweireißt. Envin springt auf, hat seine Sprache aber immer noch nicht wieder gefunden.
»Was ist das für ein Lärm!«, ruft der Abt, der soeben in die Kapelle getreten ist. Vier Köpfe drehen sich im selben Moment erschrocken zu ihm um.
»Huch«, sagt der Narr, dem gerade eine der Kerzen auf das Altartuch gefallen ist.
»Du liebe Güte!«, sagt der Abt, der die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und zum Altar rennt, um die Flammen zu löschen.
Patar Malar sitzt noch immer im Garten bei seinen Lieblingen. Er winkt Envin hinterher, als er an ihm vorbeikommt, zusammen mit dem Narr, mit Sidus und Llyle und mit dem Abt, der die Gruppe antreibt.
»Verschwindet aus meinem Kloster und lasst Euch nicht wieder hier sehen, bevor Ihr bereit zur Buße seid.«
»Aber, aber --- nicht so grob. Ich muss doch noch die Gebete für meinen Fürsten lossenden.«
»Dann soll Dein Fürst das nächste Mal persönlich hierherkommen und nicht einen seiner Unruhestifter vorbeischicken.«
Der Abt schiebt die Vier aus dem Hintereingang des Klosters auf den kleinen Friedhof und lässt laut krachend das Tor hinter ihnen zu fallen.
»Nun, dann muss ich wohl in eine andere Kapelle gehen, um zu beten«, sagt der Narr und verschwindet in einer der engen Gassen der Stadt.
»Nun, wenn dem so ist ---«
Sidus bietet Llyle den rechten Arm ebenso dar, wie der Narr es zuvor bei ihm getan hat.
»Darf ich Euch zurück in die Burg begleiten, mein Engel?«
»Selbstverständlich, mein Herr«, sagt die Komtess pflichtbewusst, ohne eine Miene zu verziehen und hakt sich bei ihm ein.
»Ich hoffe, Du wirst uns folgen, Envin? Es gibt viel Arbeit für Dich«, sagt Sidus und führt Llyle davon. Envin bleibt stehen und starrt ins Leere. Als die beiden aus seiner Sicht verschwunden sind, setzt er sich auf die Erde und sieht sich um.
Umgeben von Symbolen des Todes. Er schaut zum Himmel. Über ihm thronen Krähen, die von traurigen Winterbäumen auf ihn herab blicken. Doch mehr noch sind es die kahlen Äste, die drohend
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