Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wald

Wald

Titel: Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Waechter
Vom Netzwerk:
nach ihm greifen wollen. Soll er wegrennen? Warum soll er nicht viel besser gleich hierbleiben? Auf dem Totenfeld.
    Er schaut auf die zwei Pergamentüberreste, die er in dem Durcheinander an sich nehmen und retten konnte. Der Riss geht genau durch den Körper des Ritters. Eigentlich ist er bereits tot.

»Der Wald«
     
    Die folgenden zwei Tage wollen für Envin kein Ende nehmen. Immer wieder hält er in der Burg nach Llyle Ausschau, in der Hoffnung sie wenigstens noch einmal zu sehen, doch es ist, als hätte der Erdboden die Komtess verschluckt.
    Dann, am Morgen des dritten Tages ist es soweit. Noch ehe die Sonne ihre Fühler über den Horizont erheben kann, beginnen Sidus und er die beiden Schlachtrösser mit Decken und großen Satteltaschen zu beladen. In diesen verstauen sie Proviant für mehrere Wochen und einige Felle. Envin kann zehn Pergamentrollen, ein Tintentopf, zwei Schreibfedern und einige Kohlestifte dazwischen schmuggeln. Dann kommen die schweren Ledersättel und die Lanzen. Sidus führt außerdem noch eine Armbrust mit sich. Die Ritter begürten sich mit je einem Schwert und einem Dolch. Leichte Rüstung ist für die Drachenjagd von Nöten, da Schnelligkeit und Windigkeit im Kampf mit fliegenden Bestien wichtig sind wie der Pelz für den Bären. Daher verzichten sie auf Helme, und nur Sidus trägt ein Kettenhemd, was Envin sehr recht ist.
    An Armen und Beinen tragen beide Ritter Eisenschienen. Dann werfen sie sich parallel jeweils einen langen Samtumhang über die Schultern. Darüber binden sie sich einen großen Schild und steigen auf.
    Sie traben langsam durch die Straßen der Stadt. Während der Tag allmählich beginnt, versammlen sich zu beiden Seiten des Triumphpfades die Menschen. Einige, um ihnen zuzujubeln, andere schweigend, ein letztes Mal die tapferen Törichte voller Ehrfurcht anblickend, die sich trauen, gegen den unbeugsamen Drachen zu ziehen, und wieder andere betend auf den Knien. Sidus winkt ihnen allen unbekümmert mit erhobenem Haupte zu.
    Envin sieht sich um. Wo ist Llyle?
     
    In den folgenden zwei Tagen durchqueren sie die komplette Ebene, bis sie an den großen Fluss gelangen. Der Anblick des breiten Gewässers mit dem grünschimmernden Wasser und den steilen, weißen Felsklippen zu beiden Seiten fasziniert Envin, der noch niemals in den Nordosten des Fürstentums gezogen ist. Für ein paar Stunden hat er beinahe die Schwere vergessen können, die wegen seines Auftrags auf seinen Schultern thront. Dann, als sie ihr Weg höher und höher in die Berge führt, unentwegt auf schmalen Pfaden entlang balancierend, vorbei an drohend emporragenden Felsmassiven, setzt Meter um Meter ein wenig mehr der Winter ein. Man hat sie gewarnt, dass das Wetter landeinwärts schlagartig schlechter werden würde, als an der Küste, und wahrlich unbarmherzig sein kann – jetzt bekommen sie es am eigenen Leib zu spüren. Am zweiten Tag, den sie am Fluss entlang reiten, binden sie sich morgens Felle um die Schultern. Die Kapuzen ihrer Mäntel ziehen sie bis tief unter die Stirn. Nach einem weiteren Tag lassen sie das grüne Gewässer hinter sich und ziehen durch eine kleine Schlucht direkt in die Berge. Jetzt können sie ihn sehen. Eine Meile vor ihnen erstreckt sich der Drachenwald wie ein unendlicher Wall bis zum Horizont. Das Gebiet ist in der Tat riesig, und dennoch nutzlos, solange die Gefahr durch den Drachen nicht gebannt wurde.
     
    Eines Morgens, als Sidus für einen Erkundungsstreifzug zu Fuß im Geäst verschwunden ist und Envin alleine am Lagerplatz sitzt, holt Envin eine Pergamentrolle hervor und beginnt zu schreiben.
     
    Der Wald ist unbeugsam. Bereits den vierten Tage ziehen wir durch diesen trostlosen Ort, der so kalt und so leblos ist, noch kein einziges Zeichen von Leben haben wir gesehen. Und auch wenn es mir nur Recht ist, dass wir noch keinem Drachen oder einem ähnlichen Monster begegnet sind, so schwebt doch seit dem ersten Moment, da wir den Wald betraten, etwas Sonderbares in der Luft. Wie ein furchtbarer Zauber, der nach uns greifen will, ich kann es nicht besser in Worte fassen. Die Bauern, die uns auf dem Wege in die Hochebene begegneten, warnten uns allesamt davor, dass wir uns nicht nur vor dem Drachen in Furcht üben sollten. Sie erzählten uns furchtbare Geschichten von Wolfsmenschen und Untoten. Ob dieser Wald wirklich verflucht ist? Wahrscheinlich verliere ich bereits meinen Verstand. Und wenn schon. Ist es nicht sowieso egal? Wie soll ich mehr dem Wahnsinn verfallen

Weitere Kostenlose Bücher