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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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meiner Wache je beim Schlafen erwischt und daß ich selbst nicht Lunge und Kehle hätte, so gut wie du? B u-hu, bu-hu, bu-hu! Das war der schrillste Mißton, den ich je gehört hatte. Doch für ein geschultes Ohr enthielt er die Schwingungen einer unerhörten Harmonie. Ich hörte auch das Stöhnen des Eises im See, das klang, als würde sich mein riesiger Schlafgenosse da drüben unruhig in seinem Bett wälzen, gequält von Blähungen und Alpträumen. Auch das Krachen der gefrorenen Erde, das
    anmutete, als rumple jemand mit einem Gespann gegen meine Tür, konnte mich wecken, und morgens fand ich dann oft einen Riß von einer Viertelmeile Länge und einem Zoll Breite in der Erde.
    In mondhellen Nächten konnte ich manchmal die Füchse hören, wenn sie auf der Suche nach einem Rebhuhn oder einem
    anderen Wild über die Schneekruste pirschten. Ihr Gebell klang heiser und dämonisch wie das verwilderter Hunde, die, von Angst geplagt, sich mühten, etwas zu sagen, nach Licht verlangten und lieber richtige Hunde sein wollten, die frei in den Straßen umherlaufen; denn wenn man den Gang der
    Jahrhunderte nimmt, könnte es dann nicht auch unter den Tieren eine fortschreitende Entwicklung geben wie bei den Menschen? Sie kamen mir wie rudimentäre Höhlenmenschen
    vor, die noch im Verteidigungszustand ihrer Verwandlung harren. Manchmal kam einer, vom Licht angezogen, an mein Fenster, bellte mir einen füchsischen Fluch zu und verschwand wieder. In der Morgendämmerung weckte mich gewöhnlich das rote Eichhörnchen (Stiurus Hudsonius), das die Wände meines Hauses hinauf und über mein Dach lief, als wurde es aus dem Wald eigens zu diesem Zweck hergeschickt. Im Laufe des
    Winters warf ich einen halben Scheffel unausgereifte
    Maiskolben in den Schnee und machte mir ein Vergnügen
    daraus, die Bewegungen der verschiedenen Tiere, die davon angelockt wurden, zu beobachten. In der Abenddämmerung
    und nachts erschienen regelmäßig die Kaninchen und hielten
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    fröhliche Mahlzeit. Tagsüber kamen die roten Eichhörnchen und unterhielten mich mit ihren Streichen. Eines von ihnen kam immer vorsichtig durch die Zwergeichen hervor, hüpfte in kurzen Sprüngen und Sätzen wie ein vom Wind getriebenes Blatt über den Schnee; lief mit wunderbarer Ge schwindigkeit und enormem Energieverbrauch, wobei sich die Beinchen
    unfaßbar schnell bewegten, als liefe es um die Wette, immer ein paar Schritte in die eine Richtung, dann die gleiche Anzahl Schritte in die andere. Dabei kam es nie mehr als höchstens fünf Fuß vorwärts. Dann machte es plötzlich mit drolligem Ausdruck und einem unverhofften Purzelbaum halt, als seien alle Augen des Universums auf sein Tun gerichtet - denn alle Bewegungen eines Eichhörnchens sind, auch an den
    abgeschiedensten Stellen des Waldes, geradeso wie bei einer Tänzerin auf Zuschauer berechnet. Mit seinem Innehalten und Umsichblicken verlor es mehr Zeit, als wenn es die ganze Strecke langsam gegangen wäre (übrigens habe ich nie eines gehen sehen). Im Handumdrehen - schneller als man »Jack Robinson« sagen konnte - landete es im Wipfel einer
    Pechkiefer, holte Luft und begann mit allen seinen
    eingebildeten Zuschauern zu schelten, indem es gleichzeitig mit sich selbst und mit dem Universum redete - warum, konnte ich nie herausbekommen, und sehr wahrscheinlich wußte es das Tierchen auch nicht. Schließlich kam es bei den Maiskolben an, wählte einen passenden aus, sprang auf die gleiche-,
    trigonometrische Weise auf das oberste Scheit meines
    Holzstoßes vor dem Fenster, schaute mir ins Gesicht und blieb dort stundenlang sitzen. Von Zeit zu Zeit versorgte es sich mit einem frischen Maiskolben, benagte ihn anfangs gierig und warf dann die halbangefressenen Kolben umher; bis es zuletzt immer wählerischer wurde, nur noch das Innerste der Kerne kostete und mit dem Kolben zu spielen begann. Schließlich entglitt der Kolben, den es mit einer Pfote über dem Holzscheit balancierte, seinem achtlosen Griff und fiel zu Boden. Mit einem drolligen Ausdruck der Ungewißheit, als hielte es ihn für lebendig, blickte es ihm nach und schien sich nicht
    entschließen zu können, ob es ihn wieder holen oder einen frischen nehmen oder einfach davonspringen sollte; wobei es
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    einmal den Maiskolben ins Auge faßte, einmal in den Wind lauschte. So trieb es das kleine freche Kerlchen mit vielen Maiskolben an einem Vormittag. Endlich packte es einen, der beträchtlich größer war als es selbst, und lief wie ein

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