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Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Walden - Leben in den Wäldern: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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Schmutz nach Brighton oder Brightown; dort wollte er bei Tagesanbruch eintreffen.
     
    Hat ein Toter die Hoffnung einmal wieder aufzuwachen, wieder zum Leben zurückzukehren, so sind ihm Zeit und Ort gleichgültig. Der Ort, an dem dies geschehen könnte, ist immer derselbe und all unsren Sinnen unbeschreiblich angenehm. Meistens gestatten wir nur unbedeutenden und vorübergehenden Ereignissen einen Einfluß auf unseren Lebensgang. Gerade sie sind die Ursachen für unsere Verwirrung und Unruhe. Allen Dingen am nächsten steht jene Kraft, der sie ihr Dasein verdanken. In unserer unmittelbaren Nähe werden die gewaltigsten Gesetze ohne Unterlaß zur Anwendung gebracht. In unserer unmittelbaren Nähe befindet sich nicht der Arbeiter, den wir dingen, sondern der Arbeiter, dessen Werk wir sind.
     
    "Wie unerschöpflich groß ist der Einfluß der geheimen Kräfte des Himmels und der Erde! Wir suchen sie zu erblicken und sehen sie nicht, wir suchen sie zu vernehmen und hören sie nicht. Identisch mit der Substanz der Dinge, können sie von ihnen nicht getrennt werden." "Sie sind es, die die Menschen auf der ganzen Welt veranlassen ihre Herzen zu reinigen und zu heiligen, sich in Festgewänder zu hüllen, um ihren Vorfahren Opfergaben darzubringen. Sie sind ein Ozean feinster Intelligenzen. Sie sind überall – über uns, zu unsrer Linken, zu unsrer Rechten; sie umgeben uns von allen Seiten."
     
    Wir werden zu einem Experiment benutzt, das für mich im höchsten Grade interessant ist. Können wir unter diesen Umständen nicht für eine kurze Zeit auf die Gesellschaft von Vettern und Tanten verzichten, – uns an unseren eigenen Gedanken erbauen? Konfuzius sprichtdie Wahrheit, wenn er sagt: "Die Tugend bleibt nicht wie die verlassene Waise; sie muß notgedrungen Nachbarn haben."
     
    Das Denken ermöglicht uns bei gesunden Sinnen eine Doppelexistenz. Durch eine bewußte Anstrengung unseres Verstandes können wir Handlungen und ihre Folgen gleichsam aus der Perspektive betrachten. Alle Dinge, die guten, wie die bösen, rauschen wie ein Strom vorbei. Wir sind nicht völlig mit der Natur verschwistert. Ich kann sowohl das Treibholz im Flusse sein, als auch Indra im Himmel, der darauf herniedersieht. Ich kann vielleicht durch ein Schauspiel im Theater ergriffen werden; andererseits brauche ich nicht unbedingt durch ein reales Ereignis, das mich vielleicht viel näher angeht, ergriffen zu werden. Ich weiß nur, daß ich ein menschliches Wesen, der Schauplatz sozusagen von Gedanken und Leidenschaften bin. Ich bin mir auch einer gewissen Doppelexistenz bewußt, die mir gestattet mich selbst wie jeden anderen Menschen von ferne zu betrachten. Wie tiefe Kenntnisse auch immer ich besitze, stets habe ich das Bewußtsein, daß ein Teil in mir lebt, der Kritik übt. Und doch ist das eigentlich kein Teil von mir, sondern gleichsam ein Zuschauer, der selbst ohne Kenntnisse ist, aber von ihnen Notiz nimmt. Und dieser Teil gehört ebensowenig mir wie Dir. Wenn das Schauspiel, vielleicht die Tragödie des Lebens vorbei ist, dann geht der "Zuschauer" seines Wegs. Aus seiner Perspektive erschien es ihm wie eine Art Dichtung, wie ein Werk der Phantasie. Diese Doppelexistenz kann uns manchmal mit leichter Mühe zu erbärmlichen Nachbarn und Freunden machen.
     
    Ich halte es für gesund, die meiste Zeit allein zu sein. Gesellschaft, selbst mit den Besten, wird bald langweilig und zerstreuend. Ich liebe die Einsamkeit. Nie fand ich einen Kameraden kameradschaftlicher als die Einsamkeit. Wir sind meistens einsamer, wenn wir zwischen Menschen umhergehen, als wenn wir in unsern Zimmern bleiben. Ein Mensch ist immer allein, wenn er denkt oder arbeitet, sei es wo er wolle. Einsamkeit wird nicht nach den Meilensteinen gemessen, die sich zwischen uns und unsern Mitmenschen befinden. Der wirklich fleißige Student, der zu Cambridge in einem dervollgepfropften Bienenstöcke lebt, ist so einsam wie der Derwisch in der Wüste. Der Farmer kann den ganzen Tag auf den Feldern oder in den Wäldern allein Holz hacken oder Bäume fällen und sich doch nicht einsam fühlen, weil er beschäftigt ist. Kommt er aber abends nach Haus, dann mag er nicht allein in seinem Zimmer sitzen, sich der Willkür seiner Gedanken überlassen, sondern es treibt ihn dahin, wo er "Leute sehen", sich erholen und sich – seiner Ansicht nach – für des Tages Einsamkeit entschädigen kann. Und darum wundert er sich, daß der Gelehrte, ohne Langeweile oder melancholische Anwandlungen

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